Dienstag, 28. Dezember 2021

Dolce Vita im Getränkemarkt


 Die Leser dieses Blogs (und natürlich auch die Zuschauer meiner Youtube-Videos) wissen, dass ich mich vor allem für ausgefallene Fahrzeuge begeistern kann. Insofern passt auch die Ape 50 gut ins Bild meiner Sammlung.

So eine Ape ist im Kern eine Vespa mit drei Rädern und der Andeutung einer Lastwagenkarosserie. Das passt auch, denn Vespa heißt Wespe und Ape Biene, die fleißigere Verwandtschaft eben. Ein Konstrukt, das im tiefsten und besten Sinne so italienisch ist wie leidenschaftliche Streitgespräche über Fußball und Spaghetti Bolognese. Darüber hinaus ist das Ding ungemein praktisch, denn es kann mit minimalem Aufwand haarsträubende Lasten bewegen.

Zu den Lasten, die ich dem kleinen Blechinsekt bisweilen aufbürde, gehören Getränkekisten. Denn zum einen gibt es Mengenrabatt im Getränkemarkt, wenn man mehr nimmt und zum anderen kaufe ich auch immer gleich für ein paar ältere Herrschaften aus der Nachbarschaft ein. Letztens brachte der monatliche trasporto di bevande eine nette kleine Begegnung.

 

Ich war gerade dabei, die etwas üppiger ausgefallene Beute auf der Ladefläche der Ape zu verzurren, als mich ein Kind ansprach. Genauer ein Mädchen von etwa 10 Jahren, das zu jenen Kindern gehört, die dank eines zuckersüßen Bilderbuchgesichts und eines engelsgleichen Augenaufschlags auch mit einem dreifachen Axtmord ungestraft davonkommen würden. „Du, trinkst du das alles selber?“ Frage mich die Kleine und zeigte staunend auf den stattlichen Kistenstapel unter dem sich die Ladefläche der Ape leicht ächzend zur Seite neigte. „Zum Teil schon.“ War meine einigermaßen wahrheitsgemäße Antwort. Daraufhin nickte die Kleine versonnen und sagte: „Ja, weil du so viel säufst, kannst du dir kein gescheites Auto leisten.“

Das war der Moment, in dem ihre Mutter mit puterrotem Kopf und einem spitzen Aufschrei hinter dem Familienkombi hervorsprang und ihre Tochter schützend an sich presste. Ihr Gesichtsausdruck und die mir gegenüber gestammelte Entschuldigung ließ vermuten, dass sie davon ausging, nun selbst Opfer des bereits erwähnten mehrfachen Axtmordes zu werden. Das ich stattdessen anfing zu lachen – und das in einer Weise, die nicht unmittelbar an Jason Voorhees oder Jack the Ripper erinnerte, – schien sie sichtlich zu beruhigen.

Was folgte, war ein nettes Gespräch über die Schwierigkeiten, die mit der schrankenlosen Offenheit verbunden sein kann, die aus kindlicher Neugier und Schlussfolgerungsgabe erwachsen kann. Sicher gibt es auch genug Zeitgenossen, die sich über diese Sache fürchterlich aufgeregt hätten. Aber wieso eigentlich?

 

Eigentlich ist die Schlussfolgerung des Mädchens ja logisch. Ein zehnjähriges Kind ist sicher problemlos in der Lage mitzubekommen, das Getränke nicht ganz billig sind. Auch vom Multiplikator sollte in der Schule schon einmal die Rede gewesen sein. Für mehr Getränke muss man mehr Geld rausrücken. Geld, das dann fehlt, wenn man sich kraftfahrtechnisch verbessern will. Was man von Zehnjährigen nicht erwarten kann, ist das Wissen um den Marktwert exotischer Gerätschaften. So ist meine Ape rein monetär vermutlich mehr wert als der etwas angegraute Toyota-Kombi der Mutter, einfach weil es sehr viele Liebhaber und Sammler für obskure italienische Primitivmobile, die vom Hauch des Dolce Vita umweht werden, gibt. Solche, die für japanische Vernunftfahrzeuge mit dem Nimbus granitener Zuverlässigkeit und dem Charme eines Lateinpaukers kurz vor der Pensionierung schwärmen, sind hingegen eher rar.

 

Nüchtern betrachtet wurde das Mädchen einfach Opfer dessen, was man in der Wissenschaft eine unvollständige Datenlage nennt. Man kann sich in seinen Schlussfolgerungen eben nur auf das beziehen, was bekannt ist. Wenn Neues bekannt wird, dann ändern sich eben auch die daraus gezogenen Schlussfolgerungen.

Leider verstehen das viele Menschen nicht und in der Folge entstehen viele Missverständnisse. Gerade in der heutigen Zeit, in der so viel über Fakten und angebliche Alternativen zu ihnen diskutiert wird, wäre es doch schön, wenn sich die kleine Parkplatzbegegnung auch ins Große skalieren würde.

Übrigens sind mir das Mädchen und seine Mutter neulich noch mal begegnet. Wieder auf dem Parkplatz vor dem Getränkemarkt, aber diesmal haben wir uns nur zugewunken. Auch irgendwie schön.

Samstag, 18. Dezember 2021

wofür Schafe gut sind

 Die Schafe auf der Weide, gleich neben der alten Landstraße, sind erstaunlich ruhig. Das Geräusch der Ape scheint sie nicht zu stören. Als ich anhalten und langsam aussteige, weichen sie einige Schritte zurück, bleiben dann aber stehen. Einige kommen sogar wieder auf mich zu, näher an den Elektrozaun, der ihre Weide umgrenzt.


 Ich bleibe einige Minuten ruhig stehen. Einfach so, um mir die Schafe anzusehen, die ruhig auf der Weide stehen und grasen. Es gibt sicher viele Menschen die das nicht verstehen werden, aber ich finde solche Momente beruhigen. In diesen Minuten ist leicht zu verstehen, woher die Legende vom Schäfchenzählen als Einschlafhilfe stammt, denn die Tiere strahlen eine tiefe Gelassenheit aus.


 Auf der anderen Seite der Weide befindet sich ein Feldweg. Von dort ist irgendwann wieder ein mechanisches Geräusch zu hören. Anders als das meiner Ape, dumpfer, rauer, aber auch leiser. Es ist der Dieselmotor eines japanischen Geländewagens, das Fahrzeug des Schäfers. Die Tiere scheinen es zu erkennen, denn sie nähern sich der Stelle, an der der Mann im grünen Lodenmantel über den Zaun steigt. In seiner Hand ist ein Eimer mit Futter, das er in eine am Boden stehende Wanne schüttet. Einige besonders hungrige Schafe haben ihre Köpfe schon vorher in den Eimer gesteckt.


 Für einen Moment treffen sich unsere Blicke, der des Schäfers und meiner. Er lächelt und nickt mir zu, scheinbar hat er am frühen Morgen genauso gute Laune wie ich. Es scheint, als seien Schafe weniger zum Einschlafen gut als für einen guten Start in den Tag.

Sonntag, 12. Dezember 2021

nur so eine Idee

 

In meinen Youtube-Videos geht es relativ oft darum, einen alten Roller wieder zum Laufen zu bringen. Irgendeine alte Karre, die der Vorbesitzer aufgegeben hatte, soll wieder laufen. Meistens erfordert das Investitionen, die den Kaufpreis des Rollers übersteigen. Zählt man am Ende zusammen, dann kommt mit etwas Glück eine Summe heraus, die ungefähr dem entspricht, was ein ordentliches, fahrbereites Exemplar gleichen Typs gekostet hätte. Manchmal (meistens) auch eine höhere Summe, aber was solls.

Das führt dazu, dass mir einzelne Zuschauer immer wieder die gleiche Frage stellen: „Warum machst du das? Das lohnt sich doch gar nicht.“

 

Rein finanziell stimmt das. Wirtschaftlich betrachtet ist es völliger Unsinn, so einen Kübel zu retten. Das extremste Beispiel hierfür in der jüngeren Vergangenheit war der Znen Retroroller - genannt das Chopperding -, denn das Fahrzeug hatte ich für ein paar symbolische Euro bekommen. Jahrelang gestanden, motorseitig an der Grenze zum völligen Schrott und in wenig gepflegtem Zustand. Warum tut man sich so was an? Weshalb mache ich das eigentlich?

 

Was diejenigen übersehen, die scheinbar nur den wirtschaftlichen Sinn im Auge haben, ist folgendes: Mir macht es einfach Freude, ein solches Wrack zurück ins mechanische Leben zu holen und (wieder) zu einem benutzbaren Fahrzeug zu machen. Darin liegt ein seltsam wohliges Gefühl, etwas erreicht zu haben, das viele andere nicht erreicht haben. Entweder weil sie es nicht wollen oder nicht können, wobei das nicht so wichtig ist. Es geht ja nicht darum, jemand anderem etwas zu beweisen, es geht einfach nur darum, es für sich selbst geschafft zu haben.

Außerdem habe ich im Laufe der Jahre dabei sehr viel gelernt. Was eine andere Frage beantwortet: „Woher weißt/kannst du das alles?“ Die Antwort ist hier nicht, dass ich es gelernt habe sondern, dass ich es einfach irgendwann schon mal, zumindest in ähnlicher Art und Weise, gemacht habe. Auch das ist ein Wert für sich, der sich nicht mit Geld aufwiegen lässt. Außerdem liegt auch darin eine tiefere Freude.

 

Tatsächlich glaube ich, dass in unserer Welt vieles, das eigentlich einfach mal gemacht werden sollte, nur deshalb nicht gemacht wird, weil es sich finanziell nicht lohnt. Nicht nur bei Rollern. Vielleicht sollten einige Zeitgenossen mal genau darüber nachdenken, es würde sicher keinen Schaden anrichten. 

Nur so eine Idee.