Es ist immer wieder schade, wie
wenig wir eigentlich über unsere unmittelbaren Nachbarländer im Osten wissen.
Obwohl der Eiserne Vorhang seit mehr als einem Vierteljahrhundert Geschichte
ist sind die Staaten des ehemaligen Ostblocks immer noch außerhalb der
Wahrnehmung der meisten Zeitgenossen. Von Regensburg aus sind es nur knappe
hundert Kilometer an die tschechische Grenze, ein Grund mehr sich auf das
Slooowriderstreffen 2017 zu freuen, das diesmal dort stattfand.
25. Mai (Christi Himmelfahrt)
Der Anreisetag begann wie immer
früh. Gegen halb Acht habe ich mich in die Ape gesetzt und mich auf den Weg
nach Osek gemacht. Diese Tour war dahingehend eine Premiere, dass ich zum
ersten Mal ein „Beiboot“ dabei hatte. Im Kasten der Ape befand sich mein
Bravomoped, mit ich dann vor Ort herumfahren wollte.
Doch erst einmal ging
es in Richtung Nordost aus der Stadt heraus. Die Ausläufer des Bayerischen
Waldes beginnen kurz hinter der Stadtgrenze und so galt es gleich zu Beginn der
Reise einige tüchtige Steigungen zu überwinden. Zwischen Falkenstein und
Michelsneukirchen wird das Land dann flacher und bildet eine weite Hochebene,
von der aus sich einige schöne Fernblicke auf den Hauptkamm des Bayerischen
Waldes und den Talkessel von Cham bieten. Auf dem Abstieg nach Cham konnte sich
der Apemotor dann etwas ausruhen. Das letzte Stück bis zur Grenze bei Furth im
Wald wird dann von der Schnellstraße B20 dominiert. Diese geht am Grenzübergang
glücklicherweise in die tschechische Staatsstraße 26 (S26) über, eine viel
befahrene aber schöne Strecke, die sich durch dichte Wälder bis nach
Bischofleinitz (Horsovsky Tyn) windet. Die kleine Stadt hat sich, trotz ihrer
wechselhaften Geschichte eine wunderschöne und sehr sehenswerte Altstadt
bewahrt. Ich umfahre sie jedoch auf der modernen Umgehungsstraße und mache
neben einem Fischteich, einige Kilometer weiter, Mittagspause.
Von dort aus fahre ich bald
weiter, immer noch auf der S26 und über Stankov und Stod nach Pilsen. Für die
berühmte Industriestadt, Heimat des nach ihr benannten Bieres und der
Skodawerke, habe ich keine Zeit und fahre daher so schnell wie möglich weiter
Kralovice. Die Kleinstadt im Rakonitzer Hügelland ist die Heimat von Andreas
Troyer, dem späteren Abt des Zisterzienserklosters von Plasy. Dieses war kurz
zuvor einer meiner Wegpunkte. Das Kloster ist, neben seiner
kunstgeschichtlichen Bedeutung, vor allem als Grablege des Clemens Wenzel von
Metternich, des berühmten Staatsmannes des 18. Jahrhunderts, bekannt. Die
zwischen 1814 und 1815 auf dem Wiener Kongress beschlossene Neuordnung Europas,
war zu einem nicht geringen Teil das Werk dieses Mannes. Sein Erbe wirkt daher bis
heute nach.
Von Kralovice ist es nicht mehr
weiter nach Brüx (Most), der letzten großen Stadt vor dem Ziel in Osek. In der
nordbömischen Kleinstadt beziehe ich als erster der am Donnerstag angereisten
Slooowriders mein Quartier, nur Norbert war schon am Vortag angereist.
Der Abend stand dann, wie bei
diesen Veranstaltungen üblich, im Zeichen der langsamen Anreise aller
Teilnehmer sowie einer gemütlichen Grillrunde. Dabei wurde auch die Ausfahrt
für den nächsten Tag besprochen.
26. Mai
Am Freitag ging es in
der großen Gruppe früh raus. Eigentlich war die sächsische Seite des Gebirges das
Ziel, doch einige Fahrzeuge im Pulk waren einfach zu langsam um dieses Ziel in
sinnvoller Zeit erreichen zu können. Nach dem langen und steilen Aufstieg zum
Grenzpass bei Cinovec blieben wir deshalb auf der tschechischen Grenzseite und
fuhren über die Kammstraße nach Telnice. Die dabei durchquerte Landschaft der
Zinnwalder Hochebene wird von Bergmoor dominiert. Das ehemalige Sperrgebiet an
der deutsch-tschechischen Grenze ist heute ein besonders geschütztes
Naturreservat.
Neben der landschaftlichen
Schönheit ist die entlegene und wenig besuchte Region auch ein wunderbares
Revier zum Rollerfahren. Auf den engen und kurvigen Bergstraßen spielte dann
auch der teils erhebliche Geschwindigkeitsunterschied innerhalb der Gruppe
keine nennenswerte Rolle mehr. Entsprechend gut gelaunt kamen alle in Telnice
an. In der alten Bergarbeiterstadt kehrten wir zum Mittagessen ein. Ein
kulinarisch höchst angenehmes und zudem interessantes Erlebnis. Die Größe
unserer Reisegruppe überforderte die Küche des Restaurants nämlich derart, dass
es Essen im Schichtbetrieb gab. Aber auch das konnte die gute Laune nicht
nennenswert beeinträchtigen.
Nach dem Essen ging es
dann in einem weiten Bogen zurück nach Osek, wo der Abend wieder an Grill und
Lagerfeuer langsam ausklang. Dabei wurde auch beschlossen, am nächsten Tag in
zwei Gruppen zu fahren. Eine Gruppe aus schnellen Zweirädern und Auto hatte
sich die Bastei als Ziel gesetzt, die andere wollte in Tschechien bleiben und
nach Komotau zum Mittagessen fahren. Ich schloss mich der zweiten Gruppe an.
27. Mai
Die „Renngruppe“ brach
früh auf, während sich die „Schneckengruppe“ viel Zeit lies und erst am späten
Vormittag in Richtung Komotau aufbrach. Mein Bravo blieb am Campingplatz zurück, denn Maiks Frau Johanna wollte mitkommen, weshalb sich meine Ape als Taxi anbot.
Die alte Industriestadt war das Ziel für ein gemeinsames Mittagessen. Unterwegs gab es zwar eine kleine Kursverwirrung, die mit einem Ausflug in eine Sackgasse endete, aber sonst keinerlei besondere Vorkommnisse. Von Komotau aus ging es dann in südlicher Richtung zum Stausee Nechranice. Hier wird die Eger aufgetaut um Strom aus Wasserkraft zu gewinnen. An einem heißen Tag wie diesem ist der künstliche See zudem eine willkommene Gelegenheit zur Abkühlung. Selbst wenn der Betonstrand nicht unbedingt Karibikfeeling aufkommen lässt.
Die alte Industriestadt war das Ziel für ein gemeinsames Mittagessen. Unterwegs gab es zwar eine kleine Kursverwirrung, die mit einem Ausflug in eine Sackgasse endete, aber sonst keinerlei besondere Vorkommnisse. Von Komotau aus ging es dann in südlicher Richtung zum Stausee Nechranice. Hier wird die Eger aufgetaut um Strom aus Wasserkraft zu gewinnen. An einem heißen Tag wie diesem ist der künstliche See zudem eine willkommene Gelegenheit zur Abkühlung. Selbst wenn der Betonstrand nicht unbedingt Karibikfeeling aufkommen lässt.
Gut abgekühlt und etwas
sonnenverbrannt ging es dann wieder zum Campingplatz zurück. Marianne und
Norbert hatten dort bereits begonnen den Eintopf für das Abendessen zu brauen.
In bester Druidenmanier im Kessel über dem offenen Feuer. Das Ergebnis war sehr
lecker und so wurde auch der letzte gemeinsame Abend in Tschechien zu einem
vollen Erfolg.
28. Mai
Wieder geht es früh
zurück auf die Straße. Die Ape ist schnell beladen und der Checkout am
Campingplatz ist ebenso unkompliziert wie die Anmeldung. Von Osek aus fahre ich
zunächst auf der S13 nach Komotau und von dort aus weiter nach Karlsbad. Dieser
Streckenabschnitt kann durchaus als beispielhaft für die Vielfalt des Landes
gelten. Komotau ist umzingelt von Tagebauten und Kohlekraftwerken.
Doch nur
wenige Kilometer weiter windet sich die Straße in weichem Schwung durch das
Egertal. Dichte Wälder und grüne Wiesen, auf denen Pferde und Rinder grasen
säumen jetzt das Asphaltband. Die kleinen Bauernhöfe sehen aus, als sei hier
die Zeit stehen geblieben. Es ist als befände man sich in einer anderen Welt.
Karlsbad umfahre ich
auf der S6 und biege bei Sokolov (Falkenau an der Eger) nach Süden ab. Hinter
Bekov beginnt wieder eine wahre Straßenachterbahn durch einen tiefen
Talschnitt. Die Straße teilt sich hier den knappen Raum mit der Eisenbahn,
deren Trasse die Straße immer wieder kreuzt. Im Zusammenspiel mit der wilden
Landschaft entsteht so eine Szene, die eher an eine Modelleisenbahn denn an die
reale Welt erinnert. Erst bei Tachov endet dieses Märchenland und der
Gesichtskreis weitet sich. Erst kurz vor dem Grenzübergang Eslarn steigt die
Landschaft wieder an, die östlichen Ausläufer des Oberpfälzer Waldes liegen vor
mir.
Kurz vor dem Grenzübergang
Esslarn-Tillyschanz liegt im Wald ein historisches Kleinod verborgen. Die Ruine
der Wallfahrtskirche Sankt Anna bei Purschau. Die Kirche fiel nicht dem Krieg
zum Opfer, sondern verfiel nachdem die nahe Einsiedelei aufgegeben wurde. Heute
ist sie ein stiller Ort der Mahnung an die Vergänglichkeit aller Dinge.
Auf der deutschen
Seite der Grenze geht es dann zunächst nach Oberviechtach. Von hier aus folge
ich der Straße nach Schwarzenfeld und Schwandorf. Kurz nach der Kreisstadt ist
dann die Grenze des heimatlichen Landkreises erreicht. Gegen Abend komme ich,
müde aber voll mit guten Erinnerungen, zu Hause an. Die Ape verdaut leise
knackend die Hitze der langen Fahrt an diesem warmen Frühsommertag und ich
freue mich schon auf die nächste Tour und das Wiedersehen mit den Slooowriders.
© Text und Bilder: Markus Zinnecker, 2017