Mittwoch, 28. Dezember 2022

Piaggio Mopeds: Typidentifikation und Baureihenübersicht

Nachdem ich mittlerweile mehrere klassische Piaggio Mopeds besitze und schon einige Videos dazu auf dem Kanal veröffentlicht habe, erreichen mich immer wieder Anfragen zu diesen Fahrzeugen. Eines der Hauptthemen dieser Anfragen lässt sich mit: "Was habe ich eigentlich?" umschreiben.

Tatsächlich ist es gerade bei Italienimporten oft schwierig, den genauen Typ zu identifizieren. Darum möchte ich an dieser Stelle entsprechende Informationen sammeln. Wie immer bin ich hierbei auf Hinweise und Tipps aus der Community angewiesen. Wer Beiträge, Korrekturen ect. hat, ist herzlich eingeladen, sich bei mir zu melden.


Begriffsdefinitionen

Hier werden bestimmte Begriffe verwendet, die der Vereinfachung dienen.

Mono = Riemenantrieb ohne Verstellung

Vario = Riemenantrieb mit Verstellung (CVT-Getriebe, sog. Variomatik)


Identifikation Piaggio Ciao

Identifikationsmerkmal ist das Präfix der Fahrgestellnummer (FIN/VIN). Diese befindet sich unter der rechten Seitenverkleidung oberhalb der Tretkette.

Position der FIN an einem Piaggio Ciao
 

Zu beachten ist, dass die ebenfalls hier zu findende IGM-Nummer keine Fahrgestellnummer ist. Es handelt sich hierbei um eine alte italienische Kennzeichnung mit Bezug auf die Musterzulassung des Fahrzeugs. Es ist jedoch schon vorgekommen, dass bei Einzelabnahmen diese Nummer als FIN in die Betriebserlaubnis eingetragen wurde.

 

Die IGM-Nummer ist NICHT die Fahrgestellnummer.

Die eigentliche FIN beginnt immer mit einem (oft undeutlichen) Schlagstempel der das Piaggio-Zeichen darstellt,gefolgt von einem Präfix, auf das ein Stern mit der eigentlichen Seriennummer folgt. Diese wird durch einen zweiten Stern abgeschlossen. 

Piaggio-Logo, gefolgt vom FIN-Präfix und der eigentlichen Seriennummer.

Das Präfix dient zur Identifikation des Fahrzeugtyps. Bei der Ciao wie folgt:

1. Stelle (Fahrzeugtyp):
M = Mofa
C = Moped


2. Stelle (Radgröße):
7 = Räder mit 16 oder 17 Zoll
9 = Räder mit 19 Zoll


3. Stelle (Antriebsart und Ausstattung):
N = Starrgabel, Felgenbremse, Mono
E = Federgabel, Trommelbremse, Mono
V = Federgabel, Trommelbremse, Vario

4. Stelle (Modellvariante):
Hier ist zu beachten, dass die Kodenummer in der FIN nicht mit der Verkaufsbezeichnung der Modellversion (L, SC, PX usw.) zu tun hat. Zudem identifiziert dieser Stelle die Modellvariante auch im Zusammenhang mit dem in der 3. Stelle gegebenen Kode. Hier ist darum (wo bekannt) die 3. Stelle in kursiver Schrift mit angegeben
E1T = Ciao SC
V1T = Ciao SCV
E2T = Ciao P und PX
V2T = Ciao PV und PXV

Insbesondere zu diesem Abschnitt werden noch Informationen gesucht. Ich bitte hier besonders um Einsendung von Beiträgen.

5. Stelle
Hier steht immer ein T für Telaio (ital. Rahmen)


Identifikation Piaggio Bravo

in Arbeit, ich bitte um Geduld



Montag, 3. Oktober 2022

Von Bergbienen und anderen seltenen Tieren

Leser dieses Blogs wissen zweifellos was eine Ape ist. Aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich doch jemand hierher verirrt haben sollte, der es nicht weiß, hier eine kurze Erklärung. Eine Ape ist ein auf der Technik der Vesparoller basierender, primitiver Transportwagen aus Italien. Ein krudes Provisorium, irgendwo zwischen Schubkarre, Traktor und Moped angesiedelt, wobei sich in der Ape insbesondere die negativen Eigenschaften dieser Fahrzeuge vereinigen. Ein solches Fahrzeug eignet sich vor allem dazu, die rudimentärsten Bedürfnisse in Sachen motorisierter Fortbewegung zu erfüllen. Die Italiener haben für derartige Mobile sogar ein eigenes Wort erfunden: Motocarro, also Motorkarren, was die Sache sehr gut beschreibt. Durch den Dolche Vita und Retrohype der letzten Jahre wurde dieses Relikt des Wiederaufbaus im Nachkriegsitalien jedoch zu viel mehr. Es wurde zu einem Symbol des Lebensgefühls jenes stiefelförmigen Landes südlich der Alpen verklärt. Zumindest scheinen nordeuropäische Werbemenschen das so zu sehen. Denn in ihrer Heimat spielt die Ape* kaum noch eine Rolle. Noch der sturste Bergbauer in den Abruzzen und der letzte neapolitanische Maurer haben mittlerweile eingesehen, dass ein Kleintransporter japanischer Herkunft alles besser kann als ein solches dreirädriges Fossil.

Wo ein modernes Nutzfahrzeug aus dem Land des ewigen Lächelns, sanft säuselnd und wohl klimatisiert über mittelalterliches Kopfsteinpflaster - damals wusste man noch nicht, dass die glatte Seite der Steine nach oben gehört - gleitet oder souverän über die Autostrada zischt, da hoppelt und scheppert eine Ape asthmatisch keuchend Rauchwolken ausstoßend mühe- und geräuschvoll dahin. Denn die Äußerungen des mechanischen Lebens einer völlig einwandfreien Ape gleichen denen, die ein beliebiges anderes Fahrzeug macht, nachdem es von einem Schrottplatzarbeiter mit dem Bulldozer überrollt wurde. Dazu scheinen die Konstrukteure bei Piaggio das Konzept der Fahrzeugklimatisierung missverstanden zu haben. Denn im Innenraum einer Ape ist es im Sommer so heiß wie im Pizzaofen und im Winter so kalt wie in Berlusconis sozialem Gewissen.

Klingt, als sei eine solche Ape das perfekte Fahrzeug für einen ausgedehnten Roadtrip durch die Alpen. Finden Sie doch auch, oder?


 Was nach einer Idee klingt, die in jenem Rausch entstand, der von einer Mischung aus LSD und Zweitaktabgasen hervorgerufen wird, hat tatsächlich etwas für sich. Denn gerade die völlige Unzulänglichkeit und der Mangel an Komfort und Leistung macht die Ape zu einem wohltuenden Gegenpol zu unserer Welt mit ihrem Beschleunigungs- und Komfortwahn. Ganz weit abseits von weich gefilterten Fantasien über das südliche Land der Träume und des vermeintlich süßen Lebens. Die Alpen haben nämlich in den letzten hundert Jahren etwas verloren. Ich meine jetzt nicht die vom Klimawandel abgetauten Gletscher oder von Touristenhorden zertrampelten Bergwiesen. Ich meine vielmehr die unnahbare Majestät. Die Gipfel sind nicht mehr lebensgefährliche, tagelange und kräftezehrende Gewaltmärsche entfernt, sondern ein paar bequeme Autostunden. Vollständig von der störenden Umwelt abgekapselt, weich gepolstert und wohlig klimatisiert gleitet es sich in einem modernen Auto dahin. Bergstraßen, die heute eine ungeahnt gute Qualität haben, führen den alpinistisch geneigten Autofahrer hinauf zur Passhöhe. Eine Herausforderung ist das schon lange nicht mehr und angesichts der uralten Faszination der Berge wirkt es fast schon blasphemisch mit so wenig Mühe so hoch hinauf zu kommen. Wer Ape fährt begegnet den Bergen mit mehr Respekt.

Die scheinbaren Nachteile einer Ape werden hier zum Vorteil. Eine Ape ist schon auf der Ebene alles andere als schnell. Man nähert sich den Bergen also mit gemäßigter Geschwindigkeit. Man hat Zeit, die Felsmassen langsam über den Horizont steigen zu sehen und sich ihrer überwältigenden Präsenz bewusst zu werden. Der Aufstieg über eine Passstraße ist notgedrungen noch viel langsamer. Schritttempo und die Gefahr, von einem hochtrainierten Rennradfahrer überholt zu werden (bergauf!!!) sind auf wohltuende Weise erniedrigend. Sie rücken die Perspektive zurecht. Da draußen, jenseits der scheppernden Fenster und des klappernden Blechs sind die Berge. Majestätische, uralte Berge, die von den Gewalten der Tektonik vor Urzeiten aufgetürmt wurden. Menschen? Pah! Dinosaurier? Lächerliches Jungvolk! Die Berge sind ein winziges Stückchen Ewigkeit in einer zeitlichen Welt. Zeit ist nötig, um das zu verstehen und das heulende Kriechen einer Ape verschafft genau die. Im infernalischen Gebrüll des überlasteten Motors steckt die Melodie der Ewigkeit.

 

Hat man dann die Passhöhe erreicht, dann verspürt man eine seltsame Mischung von Gefühlen. Einen tiefen, freudigen Stolz darüber hier zu sein, es geschafft zu haben. In diesem Moment kann man nachfühlen, wie sich Edmund Hillary und Tenzing Norgay fühlten, als sie auf dem Everest standen. Gleichzeitig ist man von einem tiefen Staunen über die schiere Gewalt der Natur erfüllt und irgendwo im Hinterkopf meldet sich ganz leise ein Gefühl der Peinlichkeit, weil alle anderen Touristen hier oben einen höchst wahrscheinlich für einen entsprungenen Irren halten.

Nachdem Endorphinrausch und Ohrenklingeln abgeklungen sind, kann man sich dann auf den Weg zurück ins Tal machen. Dann kommt zum wirren Gefühlscocktail noch die Vorfreude dazu. Vorfreude auf den nächsten Pass, auf das nächste Mal perspektivisch zurechtgerückt werden. Zumindest wenn man die Abfahrt überlebt, denn die Bremsen einer Ape sind ähnlich rachitisch wie der Rest des Behelfsmobils.


 Es mag durchaus sein, dass das hier alles etwas übertrieben dargestellt ist. Aber, und diese Feststellung ist sicher nicht neu, etwas mehr Ruhe und weniger Tempo würden der heutigen Zeit sicher guttun. Es ist schon seltsam, aber bei genauer Betrachtung sind viele Fortschritte doch eher Rückschritte. Nichts ist unendlich, auch nicht der sinnvolle Bereich der immer weiteren Beschleunigung des Lebens.

Freitag, 19. August 2022

Neuer Anstrich

Eigentlich ist ein gefährliches Wort. Was wir so alles eigentlich machen wollen, das ist eigentlich ziemlich viel und eigentlich klappt es oft auch nicht. So auch dieses Mal. Denn eigentlich wollte ich das Design des Blogs nicht anfassen, aber irgendwie konnte ich es dann doch nicht sein lassen.

Die alte Optik des Blogs war doch schon etwas angegraut und nicht so arg schön. Zugegeben, ich bin ein Fan alter Dinge, aber manchmal tut etwas Modernisierung doch ganz gut. Mir gefällt die Seite so jedenfalls deutlich besser.

 

Außerdem habe ich da noch ein Eigentlich. Eigentlich wollte ich ja kein Schraubertagebuch mehr führen, aber irgendwie juckt es mich doch wieder in den Fingern. Vielleicht werde ich, wenn Zeit und Lust dazu da sind, in Zukunft immer mal wieder über Arbeiten schreiben, die es nicht in Youtube-Videos schaffen. So wie es mit der hier zu sehenden Vespa ET2 der Fall ist. Ein spannender Fall, aber aus verschiedenen Gründen nicht für Videos geeignet. 

 

Sonntag, 14. August 2022

Aufräumaktion

Nein, der Blog ist nicht tot. Zumindest nicht so tot, wie manche Zuschriften es vermuten lassen. Allerdings hat er - ich hatte ja schon mal drüber geschrieben - seine alte Funktion eingebüßt. Das liegt einfach daran, dass der Fokus mittlerweile deutlich auf Youtube und Instagram liegt. Diese Medien "gehen" einfach besser und um ehrlich zu sein: Mir persönlich machen sie auch viel mehr Spaß.

Darum habe ich den Blog nun auch etwas aufgeräumt und übersichtlicher gestaltet. Am alten Grundlayout gibt es m. E. nichts auszusetzen, darum bleibt es, aber die Verteilung der einzelnen Untergruppen ist jetzt etwas anders.
In naher Zukunft werde ich außerdem die "Schraubertipps" etwas umsortieren. Die Liste ist mittlerweile doch arg unübersichtlich geworden. Insbesondere der Teil für Ape-Themen geht darin völlig unter, was irgendwie schade ist. Darum wird es demnächst eine eigene Sektion für Ape-Tipps geben.

Montag, 16. Mai 2022

Ape 50 Typenkunde und Generationen

Von kaum einem anderen Fahrzeug aus dem Piaggio-Konzern wurde eine derartige Vielfalt an Varianten produziert wie von der Ape 50. Verständlicherweise führt dies immer wieder zu Verwirrungen, auch weil sich manche Modellgenerationen in ihren äußeren Merkmalen sehr ähnlich sind. Diese (nicht abschließende) Liste soll dabei helfen, die einzelnen Modellvarianten zu unterscheiden.

Die hier aufgelisteten Präfixe finden sich auch in der jeweiligen Fahrgestellnummer (FIN/VIN) des jeweiligen Fahrzeugs wieder. Darüber ist also eindeutig festzustellen, um welche Version es sich jeweils handelt. Ebenso ist die Motortype immer als Präfix der Motornummer im Gehäuse eingeschlagen (Ausnahme: Werks-Austauschmotoren die ohne Nummer als Ersatzteil ausgeliefert wurden).


Präfix: TL1T
Motortype: TL1M
Bauzeitraum: 1969 bis 1971
Ape 50 der ersten Generation. Primitivelektrik 6V mit Handstarter, Karosserie mit schmaler Kabine und gewölbtem Dach, teilweise noch ohne Türen ausgeliefert.

Präfix: TL2T
Motortype: TL1M
Bauzeitraum: 1971 bis 1980
Ape 50 der ersten Generation. Primitivelektrik 6V mit Handstarter, Karosserie mit schmaler Kabine und gewölbtem Dach.

Präfix: TM1T
Motortype: ?
Bauzeitraum: 1970 bis 1974
Wie TL2T jedoch mit 125ccm.

Präfix: TL3T
Motortype: TL1M
Bauzeitraum: 1980 bis 1986
Ape 50 der zweiten Generation. Elektrik je nach Baujahr 6V oder 12V, Handstarter oder elektrischer Anlasser. Schmale Kabine mit abgeflachtem Dach. Ab 1984 bei allen Modellen elektronische Zündung.

Präfix: TL4T
Motortype: TL2M
Bauzeitraum: 1985 bis 1993
Ape 50 der zweiten Generation. Wahlweise mit elektrischem Anlasser. Erstes Modell mit breiter Kabine, Türen mit geraden Seitenfenstern. Ab 1990 nur noch Elektrostartmodelle.

Präfix: TL6T
Motortype: TL3M
Bauzeitraum: 1989 bis 1995
Ape 50 der zweiten Generation, letztes Modell mit nur einem Scheinwerfer. Ausschließlich Elektrostarter. Frühe Modelle bis 1990 noch mit alten Anbauteilen, altem Lenker (in Italien ohne Tacho) und Türen mit geraden Fenstern. Ab Mitte 1990 mit neuen Anbauteilen, neuerem Lenker und Seitenfenstern mit Knick (wie TL5T).

 

TL6T erste Serie bis 1990

TL6T zweite Serie ab 1990

Präfix: TL5T
Motortype: TL3M
Bauzeitraum: 1996 bis 1999
Ape 50 der zweiten Generation. Erste Generation mit zwei Scheinwerfern. Frühe Modelle für bestimmte Märkte ohne Kühlergrillatrappe. Verbesserter Lenker mit Kombinationsinstrument mit Reservewarnlampe.
Verwirrend und nicht logisch erklärbar ist, warum TL5T das Nachfolgemodell von TL6T ist. Dies passt eigentlich nicht zur typischen Nomenklatur bei Piaggio.

Präfix: ZAPC80
Motortype: ?
Bauzeitraum: 1998 bis 2018
Ape 50 der zweiten Generation. Weitgehend wie TL5T jedoch mit div. optischen Anpassungen und Abgasverbesserungen je nach Baujahr. Diverse Sondermodelle.

ZAPC80
Präfix: ZAPC81
Motortype: ?
Bauzeitraum: 2018 bis aktuell
Ape 50 der dritten Generation. Verbesserter Motor mit Euro4-Abgasnorm. LED-Hauptscheinwerfer und verbesserte Bremse (Allradbremse). Moderner Tacho mit Tankuhr.




Donnerstag, 21. April 2022

Sinnfindung in den Osterferien

Es ist nun schon eine ganze Zeit lang her, dass ich hier im Blog etwas geschrieben habe. In letzter Zeit lag der Fokus einfach mehr auf den Videos für Youtube, außerdem war auch sonst ziemlich viel los und einfach keine Zeit, sich um den Blog zu kümmern.

Über die Ostertage war ich zum ersten Mal dieses Jahr etwas unterwegs. Eine liebe Freundin hatte mich nach Hessen eingeladen. Die Idee war etwas Schrauberhilfe bei den technischen Vorbereitungen zu einer größeren Rollerreise und ein bisschen gemeinsames Rollerfahren. Aber wie gesagt, Zeit ist knapp und so ging es mit dem Golf mit Anhänger auf Tour.

Den Kymco Curio hatte ich ausgewählt, weil er einfach der nächste greifbare Roller war. Außerdem ist er ja noch nicht lange Teil der Flotte und so war es spannend zu sehen, ob sich der alte Taiwaner auch als Tourer bewähren würde.

Den Karfreitag über einfach mal in aller Seelenruhe über Land fahren war aber der wesentliche Einstieg in ein ruhiges Wochenende. Einfach mal ganz bewusst langsam machen ist schon sehr schön.

Der Samstag stand dann ganz im Zeichen der angesprochenen Reisevorbereitungen. Auch wenn das der Grand Dink grundsätzlich in sehr gutem Zustand ist, so braucht eine gründliche Inspektion eben Zeit und man findet natürlich auch die eine oder andere Sache.


Ostersonntag war dann zum Ausgleich ein entspannter Tourentag. Nordhessen ist eine Gegend, in der ich mich nicht sonderlich gut auskenne und noch nicht so oft war. Entsprechend viel gab es dann für mich zu entdecken. 

Es ist eine wunderbar abwechslungsreiche Landschaft mit historischen Orten und langsamen Straßen. Eigentlich ein ideales Revier für Roller- und Motorradfahrer. Das absolute Highlight des Tages war für mich aber die Ruine Amöneburg, die über dem gleichnamigen Ort auf einem Bergkegel liegt.


Es ist einer jener Orte, an denen sich ganz besonders gut Träumen lässt. Von weiteren Rollertouren zum Beispiel. 

Am Ostermontag ging es aber erst mal nach Hause. Wieder schön langsam und entspannt, einfach um die Ruhe zu genießen und den Tag dazu zu nutzen, etwas runterzukommen.
Der Curio ist als Tourer übrigens ganz brauchbar, aber nicht sonderlich bequem. Er bleibt also wohl Stadtschrupper und Alltagsmoped, aber das macht ja nix.


Donnerstag, 10. Februar 2022

Warum tut man sich sowas eigentlich an?

Eigentlich hatte ich ja vor, den Blog nicht mehr als Schraubertagebuch zu führen. Dieser Vorsatz steht auch immer noch. Trotzdem habe ich heute wieder einmal ein paar Schrauberbilder aus der Werkstatt für euch.

Vor einigen Wochen ist mir ein zweiter Bajaj Sunny "zugelaufen". Eine etwas andere Ausführung als der bei Bloglesern und Kanalzuschauern bereits bekannte blaue Roller. Aber ich will hier nicht vorgreifen, denn der Neuzugang wird demnächst Gegenstand einer kleinen Videoreihe auf Youtube sein.

Mir geht es jetzt um etwas anderes, denn die Tage habe ich mich mal wieder mit dem Ding befasst und den Hauptständer in Ordnung gebracht. Das klingt nun zunächst nicht weiter spektakulär und eigentlich ist es das auch nicht. Es ist eine Arbeit, die bei viel gefahrenen Rollern von Zeit zu Zeit ansteht, denn letztlich ist der Ständer ein Verschleißteil. Beim Bajaj Sunny gibt es da aber ein kleines Problem: Neuteile sind nicht mehr zu bekommen. Der arg vernudelte Ständer musste also gerettet werden.


Ich habe in der Vergangenheit schon öfters erklärt, wie man das macht. Entrosten, Brüche und Risse zuschweißen und die ausgenudelten Montageaugen durch aufschweißen von neuem Metall und ausbohren wieder benutzbar machen. Nichts davon ist sonderlich schwierig, es ist einfach nur eine zeitraubende Fleißarbeit.


Wenn man die Zeit dazurechnet, die nötig war, um den völlig festgebackenen Montagebolzen aus dem Motorgehäuse zu bohren, so hat es etwa fünf Stunden gedauert, aus einem Haufen verbogenen und vergammelten Schrott wieder einen benutzbaren Hauptständer zu machen. Die Anfertigung eines neuen Montagebolzens habe ich zu dem Zeitpunkt, an dem ich das hier schreibe, noch vor mir, aber darum soll es ja wie gesagt nicht gehen.

Mich hat nämlich vor einiger Zeit ein Kanalzuschauer angeschrieben und eine recht interessante Frage gestellt. Nämlich die Frage, warum ich das eigentlich mache. Also alte, von den meisten Menschen ungewollte Roller wieder aufarbeite. Zeit, Arbeit und Geld in etwas investiere, das hinterher keinen sonderlich hohen monetären Wert hat. Der Bajaj ist dafür ein schönes Beispiel, denn wirtschaftlich sinnvoll ist diese Aktion nicht. 

Der Fragesteller meinte die Frage übrigens in keiner Weise herabwürdigend, denn er hat gleich noch hinzugefügt, dass er meine Arbeit spannend findet und die Videos sehr gerne ansieht. Auch weil ihm sowohl das Talent als auch die Geduld für solche Arbeiten fehlen würde. Es mag ihn überrascht haben, dass ich mich auch als eher ungeduldigen Menschen betrachte. Aus einem unerfindlichen Grund finde ich es aber beruhigen und entspannend, wenn ich an solchen Dingen arbeite. Eine Art Zenmeditation mit Werkzeug sozusagen, aber das trifft es wohl auch nicht richtig, Richtiger ist wohl eher, dass ich die seltsame Befriedigung jage, die daraus resultiert, wenn man aus einem Haufen nutzlosem Schrott ein nützliches - oder wenigstens benutzbares - Objekt gemacht hat. 

Wir leben in Zeiten, in denen nahezu alles ersetzbar und kurzlebig ist. Kauft man ein Ding, so kommt es direkt mit einer Anleitung, wie man es nach Nutzung zu entsorgen hat. Ich finde das ehrlich gesagt traurig. Aus dieser Einstellung resultiert wohl auch meine Vorliebe für alte Dinge, denn meistens wurden diese auch im Hinblick auf Reparaturen gebaut. Ein Gehäuse zu verkleben ist sicher billiger und einfacher als es mit Schrauben zu verschließen. Dem dauerhaften Erhalt ist es jedoch nicht zuträglich.

In letzter Zeit wird sehr viel über sparsamen Umgang mit Ressourcen diskutiert. In mancher Hinsicht ist es vermutlich sparsamer und nachhaltiger, alte Dinge zu reparieren als durch neue zu ersetzen. Im Bezug auf meinen Sunny mag das eine rein akademische Überlegung sein, denn Alltagsfahrzeug wird dieser Roller wohl nie mehr sein, dennoch lohnt es sich, über diesen Aspekt nachzudenken.

Im Übrigen repariere ich nicht nur gerne Roller, sondern auch andere Dinge.





Samstag, 15. Januar 2022

Der Träumer von Paris

 

Es war furchtbar. Der letzte Streit mit seinen Eltern hatte Étienne schwer belastet. Die Folge davon war eine schlaflose Nacht, die er nicht zu Hause verbracht hatte. Das kleine Haus in der Mitte des Dorfs erschien ihm grauenhaft eng. Sein Vater hatte gebrüllt wie ein Irrer und die Mutter war nur dagesessen und hatte den Kopf geschüttelt. Sie verstanden einfach nicht, dass er unbedingt Schmied werden wollte. Nicht Bauer, wie sein Vater und dessen Vater und der Vater des Vaters und so weiter. Wie es schon immer gewesen war, seit Anbeginn aller Zeiten.

In aller Früh, noch vor Sonnenaufgang, schlich er sich zurück in sein Elternhaus. Raffte die nötigsten seiner Sachen zusammen und wickelte sie in ein Tuch, dass er sich über die Schulter warf. Dann verließ er das Haus zum letzten Mal in seinem Leben. Es war noch niemand wach, als er das Dorf verließ, ein letztes Mal zurückblickte und dann beschloss, seine Schuhe auszuziehen und wegzuwerfen. Er wollte kein Krümelchen Erde von diesem Ort mitnehmen, denn hier verstand ihn niemand und er war mit diesem Ort fertig. Nur der alte Knecht des Großbauern beobachtete die Szene, später ging er hin, hob die Schuhe auf und brauchte sie zu Étienne Mutter. Die verstand schweigend, dass sie ihren Sohn verloren hatte und ging weinend ins Haus.

Étienne wanderte da schon guten Mutes durch die Lande. Er wusste, dass er unterwegs immer genug Arbeit finden würde, die Bauern brauchten immer Hilfe. So würde er es schaffen und sein Traumziel erreichen. Paris, die Stadt, in der alles möglich war. Dort würde er so leben können, wie er es sich wünschte.

 

Zumindest der erste Teil des Plans funktionierte und so erreichte der junge Mann gut einen Monat später Paris. Doch die Großstadt war schon damals kein einfacher Ort für einen jungen Menschen, der ohne jede Unterstützung seinen Weg finden musste. Eine Lehrstelle als Schmied war hier nicht zu bekommen, denn einen mittellosen Unbekannten wollte niemand einstellen. Doch Arbeitskräfte in anderen Bereichen waren knapp und so fand sich doch noch eine Stelle. Als Hilfsarbeiter in einer Werkstatt die Emaille verarbeitete. Ein Notbehelf, der sich als unglaublicher Glücksgriff entpuppen sollte.

Weißes Emaille war damals knapp und schwer zu bekommen, für viele Produkte aber sehr gefragt. Étienne befasste sich darum mit dem Problem, wie man mittels Bleioxid reinweißes Emaille herstellen konnte. Er erfand innerhalb kürzester Zeit ein völlig neues Verfahren, für das er bald sogar ein Patent erhielt. Außerdem verschaffte ihm die Arbeit in der Emaillewarenfabrik die Bekanntschaft des damals sehr bekannten Goldschmiedes Charles Christofle. Dieser stellte ihn als Techniker ein und ermöglichte ihm die Arbeit an neuartigen Verfahren zur elektrolytischen Versilberung und Verkupferung von Schmuckgegenständen.

Étienne Interesse an Technik wurde in der Goldschmiede in besonderem Maße gefördert und weiter geweckt. In seiner Freizeit arbeitete er darum an immer weiteren Erfindungen. Elektrische Signale für die Eisenbahn, eine mechanische Teigknetmaschine und Geräte zur Erfassung von Wasserdurchlauf in Leitungen gehörten zu den Erfindungen, für die er Patente erhielt. Patente, die das Interesse der Industrie weckten und dem vor wenigen Jahren als mittellosem Landstreicher in die Stadt gekommenen Mann einen bescheidenen, aber deutlich sichtbaren Wohlstand verschafften.

Eines Tages besuchte Étienne an einem ruhigen Tag das Museum der Ingenieurschule von Paris. Dort wurden – und werden bis heute - bedeutende französische Erfindungen der Vergangenheit ausgestellt. Darunter befindet sich auch der Dampfwagen von Nicholas Cugnot von 1769, der als erste sich selbst antreibende Maschine der Geschichte gilt. Étienne war fasziniert und begann davon zu träumen, das Konzept des damals gescheiterten Versuchs zu einem brauchbaren Fahrzeug zu entwickeln. Ihm war klar geworden, dass sich eine Dampfmaschine für den Antrieb eines Fahrzeugs nur sehr bedingt eignete. Bei der Eisenbahn funktionierte es gut einfach weil das Gewicht und die Größe einer Lokomotive nur von untergeordneter Bedeutung waren. Ganz im Gegenteil, eine schwere Lokomotive war sogar besser, weil sie größere Zugleistung erbringen konnte. Aber auf Straßen musste ein Fahrzeug möglichst leicht sein, um gut zu funktionieren. Doch wie sollte er das bewerkstelligen?

Eine Vielzahl von Versuchen folgte der Idee. Das gerade erworbene Vermögen wäre dabei fast aufgebraucht worden. Doch im Jahr 1858 gelang es endlich einen funktionierenden Motor zu bauen. Noch war dieser zu groß, um in ein Fahrzeug eingebaut zu werden, aber er war auch deutlich kleiner und leichter als eine Dampfmaschine von vergleichbarer Leistung. Nicht mehr Dampfdruck wirkte auf den Kolben, sondern der Druck einer kleinen Explosion. Gas wurde in die Brennkammer geleitet, entzündet und durch die dabei entstehende Druckwelle der Kolben bewegt. Das Prinzip der inneren Verbrennung, das bald die Welt erobern sollte.

Doch einem ruhelosen Geist wie dem Étiennes genügt ein solcher Teilerfolg natürlich nicht. Nachdem Patente auf den neuen Motor ihm ein sicheres Einkommen garantierten, begann er wieder mit der Arbeit. Das Ergebnis war eine kleinere und leichtere Version des Motors sowie ein Verfahren, mit dem durch Elektrolyse Wasserstoffgas aus Wasser gewonnen werden konnte. Das komplette System war somit unabhängig von einer stationären Gasleitung und konnte in ein Fahrzeug eingebaut werden. Im Sommer 1860 unternahm Étienne die erste Probefahrt mit einem kruden, einer dreirädrigen Kutsche nachempfundenen Gerät, das er Hippomobile getauft hatte. Was er und seine Zeitgenossen, die ihn damals für einen gefährlichen Irren hielten, nicht ahnen konnte, war, dass andere Ingenieure von seiner Arbeit hörten und davon fasziniert waren. Einige Jahre später sollten sie in seine Fußstapfen treten und eine der größten technologischen Revolutionen der Menschheitsgeschichte auslösen.

Als Étienne Lenoir am 4. August 1900 im französischen Städtchen Saint-Maur-des-Fossés verstarb, da hatte die Automobilisierung der Welt schon Fahrt aufgenommen. Wir stehen heute wieder an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter. Wie wird man sich wohl in Zukunft an die Lenoirs unserer Tage erinnern?

 

Jean-Joseph Étienne Lenoir wurde am 12. Januar 1822 im belgischen Mussy-la-Ville als drittes von acht Kindern geboren. Schon als Kind galt er als schwieriger, aber neugieriger und hoch intelligenter Junge. Mit 16 verließ er seine Heimat und wanderte nach Paris, wo er auf Umwegen zu einem der bedeutendsten Erfinder des mittleren 19.- Jahrhunderts wurde. Das Hippomobile von 1860 inspirierte auch Carl Benz, Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach sowie viele andere Autopioniere zu ihren Arbeiten.