Dolce Vita im Getränkemarkt


 Die Leser dieses Blogs (und natürlich auch die Zuschauer meiner Youtube-Videos) wissen, dass ich mich vor allem für ausgefallene Fahrzeuge begeistern kann. Insofern passt auch die Ape 50 gut ins Bild meiner Sammlung.

So eine Ape ist im Kern eine Vespa mit drei Rädern und der Andeutung einer Lastwagenkarosserie. Das passt auch, denn Vespa heißt Wespe und Ape Biene, die fleißigere Verwandtschaft eben. Ein Konstrukt, das im tiefsten und besten Sinne so italienisch ist wie leidenschaftliche Streitgespräche über Fußball und Spaghetti Bolognese. Darüber hinaus ist das Ding ungemein praktisch, denn es kann mit minimalem Aufwand haarsträubende Lasten bewegen.

Zu den Lasten, die ich dem kleinen Blechinsekt bisweilen aufbürde, gehören Getränkekisten. Denn zum einen gibt es Mengenrabatt im Getränkemarkt, wenn man mehr nimmt und zum anderen kaufe ich auch immer gleich für ein paar ältere Herrschaften aus der Nachbarschaft ein. Letztens brachte der monatliche trasporto di bevande eine nette kleine Begegnung.

 

Ich war gerade dabei, die etwas üppiger ausgefallene Beute auf der Ladefläche der Ape zu verzurren, als mich ein Kind ansprach. Genauer ein Mädchen von etwa 10 Jahren, das zu jenen Kindern gehört, die dank eines zuckersüßen Bilderbuchgesichts und eines engelsgleichen Augenaufschlags auch mit einem dreifachen Axtmord ungestraft davonkommen würden. „Du, trinkst du das alles selber?“ Frage mich die Kleine und zeigte staunend auf den stattlichen Kistenstapel unter dem sich die Ladefläche der Ape leicht ächzend zur Seite neigte. „Zum Teil schon.“ War meine einigermaßen wahrheitsgemäße Antwort. Daraufhin nickte die Kleine versonnen und sagte: „Ja, weil du so viel säufst, kannst du dir kein gescheites Auto leisten.“

Das war der Moment, in dem ihre Mutter mit puterrotem Kopf und einem spitzen Aufschrei hinter dem Familienkombi hervorsprang und ihre Tochter schützend an sich presste. Ihr Gesichtsausdruck und die mir gegenüber gestammelte Entschuldigung ließ vermuten, dass sie davon ausging, nun selbst Opfer des bereits erwähnten mehrfachen Axtmordes zu werden. Das ich stattdessen anfing zu lachen – und das in einer Weise, die nicht unmittelbar an Jason Voorhees oder Jack the Ripper erinnerte, – schien sie sichtlich zu beruhigen.

Was folgte, war ein nettes Gespräch über die Schwierigkeiten, die mit der schrankenlosen Offenheit verbunden sein kann, die aus kindlicher Neugier und Schlussfolgerungsgabe erwachsen kann. Sicher gibt es auch genug Zeitgenossen, die sich über diese Sache fürchterlich aufgeregt hätten. Aber wieso eigentlich?

 

Eigentlich ist die Schlussfolgerung des Mädchens ja logisch. Ein zehnjähriges Kind ist sicher problemlos in der Lage mitzubekommen, das Getränke nicht ganz billig sind. Auch vom Multiplikator sollte in der Schule schon einmal die Rede gewesen sein. Für mehr Getränke muss man mehr Geld rausrücken. Geld, das dann fehlt, wenn man sich kraftfahrtechnisch verbessern will. Was man von Zehnjährigen nicht erwarten kann, ist das Wissen um den Marktwert exotischer Gerätschaften. So ist meine Ape rein monetär vermutlich mehr wert als der etwas angegraute Toyota-Kombi der Mutter, einfach weil es sehr viele Liebhaber und Sammler für obskure italienische Primitivmobile, die vom Hauch des Dolce Vita umweht werden, gibt. Solche, die für japanische Vernunftfahrzeuge mit dem Nimbus granitener Zuverlässigkeit und dem Charme eines Lateinpaukers kurz vor der Pensionierung schwärmen, sind hingegen eher rar.

 

Nüchtern betrachtet wurde das Mädchen einfach Opfer dessen, was man in der Wissenschaft eine unvollständige Datenlage nennt. Man kann sich in seinen Schlussfolgerungen eben nur auf das beziehen, was bekannt ist. Wenn Neues bekannt wird, dann ändern sich eben auch die daraus gezogenen Schlussfolgerungen.

Leider verstehen das viele Menschen nicht und in der Folge entstehen viele Missverständnisse. Gerade in der heutigen Zeit, in der so viel über Fakten und angebliche Alternativen zu ihnen diskutiert wird, wäre es doch schön, wenn sich die kleine Parkplatzbegegnung auch ins Große skalieren würde.

Übrigens sind mir das Mädchen und seine Mutter neulich noch mal begegnet. Wieder auf dem Parkplatz vor dem Getränkemarkt, aber diesmal haben wir uns nur zugewunken. Auch irgendwie schön.

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