Dienstag, 2. April 2024

Fahrzeugporträt: Qingqi QT50Z / Sasy Classic 2000E / Huth Space-Runner

 

Wollten Sie schon immer mal wissen, wie es sich anfühlt, von einem halb verhungerten Tyrannosaurier durch den Urwald gejagt zu werden? Oder was einer Makrele durch den Kopf geht, hinter der ein Haifisch her ist? Falls die Antwort auf diese Fragen ja lautet, dann kann ich Ihnen verraten, wie Sie diese Erfahrungen machen können. Gefressen werden Sie dabei auch nicht, aber vielleicht auf eine andere Art sterben. Aber wer neugierig ist, lebt nun mal gefährlich.

Ich will auch gar nicht lange drumherum schreiben. Kaufen Sie sich einen Qingqi Sasy Classic 2000E und fahren Sie damit ein wenig in der Gegend herum. Idealerweise in der Rushhour in einer Großstadt oder, wenn sie mal so richtige Todesangst erleben wollen, auf einer gut ausgebauten Bundesstraße mit viel Schwerverkehr. Der faulige Mundgeruch eines T-Rex ist nicht so sehr viel anders als der höllische Drachenatem eines 40to-Scania der einem beim Überholen klar zeigt, dass eine einzige seiner Radschraube mehr Material enthält als die Gesamtheit des rachitischen chinesischen Irgendwas, an dem Sie sich gerade mit weiß hervortretenden Knöcheln festkrallen.

Bevor sich jedoch mit dem neu erworbenen Fahrzeug auf die epische Reise ins Land der Riesen und Drachen begeben, sehen wir uns das Ding doch einmal in aller Ruhe an.

Das Fahrzeug, das hierzulande allgemein als Qingqi Sasy Classic 2000E bekannt ist sollte korrekterweise eigentlich Qingqi QM50Z heißen, denn so wurde es von seinen Erbauern getauft. Diese Bezeichnung soll hier auch weiterhin verwendet werden, schon weil sie kolossal viel Druckerschwärze spart. Die Zusatzbezeichnung Sasy Classic 2000E ist lediglich die Verkaufsbezeichnung des Importeurs SAT Systems GmbH. Dass diese Roller hierzulande in eher homöopathischen Dosen und nur für relativ kurze Zeit angeboten wurden, täuscht darüber hinweg, dass ihnen in ihrer chinesischen Heimat eine ziemlich lange Karriere beschieden war. Das Herstellerunternehmen, die Jinan Qingqi Motorcycles Co Ltd. ist einer der traditionsreichsten Motorradproduzenten der Volksrepublik. Das „Qingqi Modell 15“ war ab 1956 das erste rein zivil genutzte Motorrad aus chinesischer Produktion. Doch ganz so weit reichen die Wurzeln des QM50Z nicht zurück. Dieser entstand ab 1987 als Resultat einer Zusammenarbeit von Qingqi mit Suzuki. Es handelt sich letztlich um eine Abwandlung des Suzuki TB50, einem ähnlich simpel gestrickten Automatikroller mit sehr kleinen Abmessungen und geringem Gewicht.

Betrachtet man den QM50Z rein objektiv, so fällt auf, dass er sich technisch stark von dem unterscheidet, was man heute landläufig von Automatikrollern erwartet. Zwar wird er von einem luftgekühlten 50cm³ Zweitaktmotor angetrieben, der als Treibsatzschwinge ausgeführt ist, doch steckt darin für heutige Betrachter ungewohnte Technik. So gibt es kein CVT-Getriebe, sondern lediglich einen Kettenantrieb mit fester Übersetzung und eine Fliehkraftkupplung. Ein Antriebssystem, das eher an klassische Mofas als an einen Roller erinnert. Der große Vorteil dieser Konstruktionsweise ist zweifellos deren Robustheit und Unempfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen. Kette und Kupplung laufen in einem geschlossenen Ölbad und sind somit nahezu wartungsfrei und langlebig. Zudem ist diese Art der Kraftübertragung sehr viel effizienter als ein CVT-Getriebe, das konstruktionsbedingt immer Schlupfverluste erzeugt. Nachteilig ist jedoch, dass es keine Variation der Übersetzung gibt, was die Steigfähigkeit des Fahrzeugs stark einschränkt. Gerade in Kombination mit der, für einen 50er-Roller typischen, sehr überschaubaren Leistungsentfaltung. Der Motor selbst ist ein Musterbeispiel für gutes Packaging. So befindet sich der Vergaser an einem extrem kurzen Ansaugstutzen an der Stirnseite des Triebwerks und der Luftfilterkasten thront, in die Kühlluftführung integriert, über dem Zylinderkopf. Der Motor fällt dadurch sehr kurz und schmal aus.

Das ist auch gut so, denn er muss in einem der kleinsten Serienroller überhaupt Platz finden. Das gesamte Fahrzeug ist gerade einmal anderthalb Meter lang, nur knapp über 60 cm breit und weniger als einen Meter hoch. Auch 45 kg Trockengewicht ist kaum zu unterbieten. Dennoch handelt es sich um einen Zweisitzer mit ausreichend Raum für einen soliden Gepäckträger. All dies kombiniert mit, Ausstattungsdetails, die in den ausgehenden 1980er Jahren durchaus nicht selbstverständlich waren. So kam der QM50Z stets mit 12V-Elektrik, Anlasser und Blinkern sowie Getrenntschmierung und Klappfußrasten für die (mutige und schlanke) Sozia daher. Im Gegenzug muss der Winzrollertreiber aber auf eine Tankuhr verzichten und sollte auch keine überragenden Anforderungen an den Wetterschutz stellen.

Man muss abschließend feststellen, dass das, was da seinerzeit auf winzigen Achtzöllern und in ein sehr knappes Plastikkleidchen gehüllt aus China angekullert kam, ein erstaunlich brauchbarer, kleiner Motorroller ist. Die große Mehrheit der nach Europa exportierten Exemplare dürften ein eher ruhiges Leben als Campingplatzmobil auf dem Heckträger eines Wohnmobils geführt haben, entsprechend hoch ist die Zahl der in relativ gutem Zustand überlebenden Exemplare. Die eingangs erwähnte Expedition an den Rand der Todeszone muss also kein Gedankenspiel bleiben. Auch wenn ich persönlich den QM50Z als Innenstadtflitzer oder für gemütliche Ausfahrten auf kleinsten Nebensträßchen bevorzuge. Es ist eben wirklich so, dass die besten Dinge im Leben in kleinen Dosen kommen.

 

Technische Daten

 Abmessungen / Gewichte:

Länge über Alles

1.500 mm

Höhe (ohne Spiegel)

915 mm

Breite (ohne Spiegel)

625 mm

Randstand

1.070 mm

Bodenfreiheit

90 mm

Leergewicht

45 kg trocken / 51 kg abfahrbereit

Zulässiges Gesamtgewicht

230 kg

 Rahmen und Fahrwerk:

Vorderradführung

Telegabel mit Schraubenfedern (ungedämpft)

Hinterradführung

Treibsatzschwinge mit hydraulischem Monofederbein

Max. Lenkeinschlagwinkel

45° (beidseitig)

Wendekreis

1.450 mm

Bremsen

Mechanische Trommelbremse vorne und hinten
Seilzugbetätigung

Reifen

3.00-8 4PR vorne und hinten

 Motor:

Motortype

Einzylinder Zweitaktmotor, umkehrgespült mit Einlassteuerung durch Membrane. Auslass schlitzgesteuert.

Kühlung

Zwangskühlung durch Gebläse

Hubraum

49 cm³

Bohrung X Hub

41,00 mm X 37,40 mm

Spitzenleistung

3 kW bei 6.000 rpm

Max. Drehmoment

4,22 Nm bei 4.500 rpm

Verdichtung

6,5 : 1

Gemischaufbereitung

Querstrom-Schiebervergaser
Hersteller: Mikuni Type 12/70/101

Luftfilter

Trockenfilter Schaumgummielement

Anlasser

Kickstarter und Elektrostart

Motorschmierung

Frischölautomatik

 

 

Sonntag, 3. März 2024

Hinweis: Neuer Treffpunkt für den Stammtisch der Zweitaktfreunde in Augsburg

Aufgrund anhaltender organisatorischer Probleme brauchen wir einen neuen Treffpunkt in Augsburg. Ab dem nächsten Stammtisch findet der Augsburger Treff darum im "Bob's Fast & Slowfood" in Oberhausen statt. Details dazu finden sich hier:

https://rollerchaos.blogspot.com/p/zweitaktfreunde.html

Der Stammtisch in Regensburg ist davon nicht betroffen. Das nächste Treffen in Augsburg findet entweder am 5. Mai oder 7. Juli statt, abhängig davon, ob es dieses Jahr ein Slooowriders-Treffen geben wir oder nicht. Das wird dann rechtzeitig auf der oben verlinkten Seite veröffentlicht.

Wir freuen uns auf jeden Fall auf das nächste Wiedersehen mit allen. Zunächst eben unverändert in Regensburg, am 7. April.


Freitag, 1. März 2024

Fahrzeugporträt: Yamaha XC125 Cygnus (4NB)

Hinweis: Zu diesem Fahrzeug gibt es ein Porträtvideo auf dem Youtube-Kanal. Dieses findet ihr hier:
https://youtu.be/zj8lKdvHQOs?feature=shared

Man sagt den Japanern nach, dass sie keine halben Sachen machen würden und dass sie ziemlich gut darin seien, Qualitätsarbeit abzuliefern. Diese Behauptung kann man mal als „irgendwie kommt es schon hin“ stehen lassen, auch wenn derartige Klischees ja immer gefährlich sind. Auch in diesem Fall? Tatsächlich gelten Produkte aus dem Land der aufgehenden Sonne ja als sehr hochwertig. Gilt das auch dann, wenn sich einer der größten japanischen Motorradbauer daran macht, einen Roller zu bauen, der vor allem eines sein soll: Erzsolide und billig?

Dies ist die Ausgangslage, die zu dem Fahrzeug führte, um das es hier gehen soll. Um den Yamaha XC125 Cygnus der Generation 4NB. Also die Modellgeneration der späten 1990er Jahre.



 Grundlegendes

Der Cygnus ist eine der langlebigsten Baureihen moderner Roller überhaupt. Seine erste Inkarnation datiert bis zurück in die frühen 1980er Jahre, damals freilich noch unter dem Namen Beluga. Eine Bezeichnung, die in einigen Märkten auch den späteren Varianten gegeben wurde. Darum ist es im Zweifelsfall sicherer, sich auf die offizielle Nomenklatur zu verlassen.

Die Baureihen, um die es hier gehen soll, von Yamaha intern als 4NB bezeichnet, wurden als XC125T und XC125TR geführt. Wobei T die ältere Version mit hochliegendem Scheinwerfer bezeichnet. Die Ausführung TR stellt ein mildes Facelift mit geänderter Frontverkleidung dar.

Die grundsätzliche Auslegung des Cygnus ist die eines klassischen Stadtrollers. Kleine 10-Zoll-Räder und ein konventioneller Aufbau mit freiem Durchstieg und breitem Trittbrett kennzeichnen das Fahrzeug. In dieser Auslegung sind auch die kompakten Maße und die relativ geringe Sitzhöhe (ca. 77 cm) des Cygnus begründet. Dennoch bietet er ausreichend Platz für europäische Sitzriesen, zumindest im Solobetrieb. Fahrten mit Sozius sollten eher kurz ausfallen.

 

Technik

Aus technischer Sicht bietet der Cygnus solide Hausmannskost, dies allerdings auf sehr hohem Niveau. Alle Bauteile des Rollers sind massiv und hochwertig ausgeführt. Die sehr großen, robusten und auch mit dicken Handschuhen gut bedienbaren Schalter fallen ebenso ins Auge wie die – für einen relativ kleinen Motorroller – geradezu gewaltigen Spiegel mit M10-Gewinden. Typisch Yamaha: Der rechte Spiegel wird über ein linksdrehendes Gewinde montiert und ist somit zusätzlich gegen Bruch geschützt.

Der Motor des Cygnus ist als konventionelle Treibsatzschwinge ausgeführt. Die Anordnung entspricht dem, was zu seiner Zeit üblich war. Also Auspuff rechts und Variomatikantrieb links. Zu jener Zeit nicht selbstverständlich war die zusätzliche Hinterradführung durch eine Hilfsstrebe mit zweitem Federbein auf der rechten Seite. Dies verkompliziert ggf. den Ausbau des Hinterrades, erhöht aber die Steifigkeit der Antriebseinheit und kommt somit dem Fahrverhalten auf schlechten Wegen zugute.

Der Motor selbst ist das, was man einen kaltblütigen Bauernmotor nennen könnte. Ein in allen Komponenten mehrfach überdimensionierter Viertakt-Einzylinder in klassischer OHC-Bauweise mit zwei Ventilen. Der Vergaser mit elektrothermischer Kaltstartautomatik und Beschleunigerpumpe ist sehr gut einstellbar und sorgt für zuverlässiges Startverhalten unter allen Bedingungen. Für einen Leichtkraftradantrieb jener Tage geradezu gigantisch ist der Ölinhalt: 1,2 Liter 20W40 (Sommeröl, bei Winterbetrieb 10W30) fließen durch die Ölpumpe. Als Besonderheit zu jener Zeit kann der echte Ölfilter angesehen werden, auch wenn es sich lediglich um einen Nebenstromfilter handelt.

Der große Ölinhalt sorgt neben guter Schmierung auch für zusätzliche Kühlung des Motors, dessen Kühlung primär durch ein Zwangsgebläse erledigt wird. Dies ist einer von vielen Gründen für die bekannt hohe Lebensdauer dieser Motoren. Laufleistungen von über 100.000 km sind, regelmäßige Wartung und sinnige Behandlung vorausgesetzt, eher die Regel als die Ausnahme. Dazu tragen auch die relativ geringe Verdichtung von 10:1 sowie der vergleichsweise niedrige Kompressionsdruck (8,8bar) bei. Natürlich sind dies Werte, die bei Viertakt-125ern als üblich gelten dürfen, allerdings treffen sie bei kaum einem Motor auf derartig großzügig dimensionierte Bauteile.

Antriebsseitig findet sich der klassentypische CVT-Antrieb, also die übliche Keilriemenautomatik. Diese reicht die überschaubare Leistung an das Hintere der beiden 10-Zoll-Räder durch (Reifendimension 3,50-10). Die kleinen Räder in Kombination mit dem sehr weichen Vollschwingenfahrwerk sorgen für das übliche, leicht ungewisse und etwas kippelige Fahrverhalten derartiger Roller. Sportliche Ambitionen sind einem solchen Roller sowieso fremd und so kommt auf dem dick gepolsterten Sitz eher Cruiserfeeling auf. Auch wenn statt der Route 66 wohl eher der tägliche Weg ins Büro oder zum Supermarkt das Revier der meisten Cygnus sein dürfte.

 

Nutzwert und Alltagstauglichkeit

Die Ausstattung des Cygnus lässt sich grob mit: „Nur das unbedingt Notwendige.“, zusammenfassen. Luxusdetails wie eine Zeituhr sucht man vergeblich. Dafür gibt es solide und gut einstellbare Spiegel sowie scheinbar überdimensionierte Schalter. Diese lassen sich jedoch auch mit dicken Winterhandschuhen oder notfalls gar Fäustlingen bedienen und sind außerdem von hervorragender Qualität. Zudem wurde der Cygnus stets mit einem robusten, aber leider nicht selbst einklappenden (dafür aber mit einem Killschalter versehenen) Seitenständer ausgeliefert. Ebenso war der robuste und gut integrierte Gepäckträger stets Teil der Serienausstattung.

 

Unter der Sitzbank verbirgt sich ein großes, mit Filzteppich ausgeschlagenes Helmfach und die Frontverkleidung beinhaltet ein tiefes und absperrbares Handschuhfach. Zudem bietet ein Taschenhaken im Beinraum zusätzliche Mitnahmemöglichkeiten. Die seitliche Anbringung des Tankstutzens sorgt zudem für guten Zugang und einfaches Betanken.




 

Windschilder, Topcases, Sturzbügel und anderes Zubehör wurden sowohl von Yamaha als auch von Zubehörherstellern angeboten, aber nur selten geordert.

 

Besonderheiten

Aus heutiger Sicht wirkt der Cygnus arg primitiv, ein Umstand, der durch die altertümliche Technik des Fahrzeugs noch unterstützt wird. So verzögert er, für einen 125er seiner Zeit ungewöhnlich, mittels Trommelbremsen an beiden Rädern. Diese sind jedoch gut dosierbar und hinreichend wirksam. Ein Relikt der Rollersteinzeit scheint auch die Vorderradführung zu sein. Hier wollen noch etliche Schmiernippel im Rahmen der Routinewartung versorgt werden. Ein Umstand, der gerne übersehen wird und zu Problemen führen kann.

Eine Falle, die Schraubernovizen am Cygnus eine ölige Überraschung bescheren kann, ist das Schauglas für den Ölstand. Dieses ist in den Antriebsdeckel integriert, was dazu führt, dass ein Ölkanal durch diesen führt. Um den Antriebsdeckel abnehmen zu können, muss darum zunächst das Motoröl abgelassen werden.

 

Fazit

Der Yamaha Cygnus (bzw. der baugleiche MBK Forte) der Generation 4NB, egal ob als XC125T (Scheinwerfer im Lenker) oder XC125TR (tief liegender Scheinwerfer) ist ein solider und extrem zuverlässiger sowie langlebiger Gebrauchsroller ohne besondere Finesse. Zu seiner Zeit war er zweifellos eines der besten Fahrzeuge seiner Art und er kann bis heute in der ihm eigenen Rolle als unaufgeregter Alltagsbegleiter sehr gute Dienste leisten.

Wer einen solchen Roller in sein Leben lässt, muss aber mit den aus heutiger Sicht eher bescheidenen Fahrleistungen und der anachronistischen Technik klarkommen können. Bei guter Pflege belohnt der Cygnus dieses Verständnis aber mit hoher Zuverlässigkeit und geringem Verbrauch.

Mittwoch, 7. Februar 2024

Freiwillige Zulassung - Unnützes Bürokratie-Brimborium, oder sinnvolle Alternative zum Versicherungskennzeichen?

 

0.       Wichtiger Hinweis:

Hier geht es natürlich auch im Gesetze. Wie immer in diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass ich weder Rechtsberatung durchführen will noch dies darf. Dies hier sind einfach zusammengestellte Informationen und Erfahrungen. Wer zu diesem Thema rechtssichere Beratung benötigt, der möge sich bitte an die zuständigen Behörden und/oder einen Rechtsanwalt wenden.

 

1.       Um was geht es überhaupt?

Zuerst muss einmal klar sein, worum es hier überhaupt gehen soll. Es soll um die freiwillige Zulassung von grundsätzlich zulassungsfreien Fahrzeugen gehen. Gemeint sind damit alle Fahrzeuge, die üblicherweise ein Versicherungskennzeichen bekommen. Also Mofas, Mopeds, Roller, Microcars usw. Ausgenommen davon sind sog. Elektrokleinstfahrzeuge, also z.B. elektrische Tretroller.

Auch wenn das Wälzen von Paragrafen immer unschön und umständlich ist, sollte man sich die entsprechenden Texte einmal ansehen. Interessant sind hier insbesondere die Paragrafen 3 und 12 der FZV.

https://www.gesetze-im-internet.de/fzv_2023/__3.html

https://www.gesetze-im-internet.de/fzv_2023/__12.html

 

2.       Warum sollte man das tun? (Vorteile einer freiwilligen Zulassung)

Die freiwillige Zulassung bietet eine Reihe von Vorteilen. Zunächst einmal fällt der jährliche Wechsel des Kennzeichens weg. Dies ist im ersten Moment kein großer Vorteil, kann aber Folgekosten sparen, wenn zum Beispiel das jährliche Neuausstellen einer Parkgenehmigung entfällt.

Viel interessanter sind die Auswirkungen der freiwilligen Zulassung auf die Versicherung des betroffenen Fahrzeugs. Das Fahrzeug wird dann nämlich von den meisten Versicherungen in die reguläre Kraftfahrtversicherung aufgenommen, deren Tarife oft deutlich günstiger sind als der „Mopedtarif“ für die Versicherungskennzeichen. Zudem können so auch Schadenfreiheitsjahre aufgebaut werden. Dies ist beispielsweise für Jugendliche vorteilhaft, denn so kann auch ein Mofa oder ein Moped bereits Rabattpunkte für den späteren Umstieg auf Motorrad oder Auto ansparen. Bei besonders wertvollen Fahrzeugen (insb. Oldtimer) kann die freiwillige Zulassung zudem auch ein guter Weg sein, um ein Fahrzeug wert gerecht (ggf. über ein Wertgutachten) in einer Kaskoversicherung unterzubringen. Etwas, das bei den Einheitstarifen für Versicherungskennzeichen in der Regel nicht möglich ist.

Lohn der Mühen: Ape 50 mit "richtigem Nummernschild" unmittelbar nach der Zulassung.

 

3.       Wo ist der Haken dabei? (Nachteile einer freiwilligen Zulassung)

Natürlich hat die Sache auch ihre verborgenen Fallstricke. Zunächst einmal ist die freiwillige Zulassung mit einigem bürokratischem Aufwand verbunden. Dazu im Detail später noch mehr. Dieser Aufwand ist natürlich auch mit Kosten verbunden. So müssen die Gebühren der Zulassungsstelle und die Kosten für die Anfertigung eines Kennzeichens eingeplant werden.

Dieses Kennzeichen muss dann natürlich am Fahrzeug untergebracht werden. Das ist nicht bei allen Fahrzeugen ohne weiteres möglich, denn natürlich müssen die Vorschriften für den Anbau eingehalten werden.

Hier ist eben der §12 FZV interessant, der unter anderem eine Kennzeichenbeleuchtung fordert. Außerdem fordern die europäischen Vorschriften, dass der untere Rand des Kennzeichens wenigstens 200mm zum Boden hat (Mindesthöhe). Siehe hierzu:

https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:198:0020:0027:DE:PDF

 

4.       Umsetzung in der Praxis

Für die freiwillige Zulassung ist zunächst ein Versicherungsnachweis in Form einer eVB-Nummer nötig. Darum muss das Vorhaben zunächst mit der Versicherung besprochen werden.

Anschließend werden die eVB-Nummer sowie die Betriebserlaubnis (resp. COC-Dokument bei Fahrzeugen mit EG-ABE) bei der zuständigen Zulassungsstelle vorgelegt. Zudem wird die Zulassungsstelle i.d.R. einen Eigentumsnachweis fordern. Dies kann etwa ein Kaufvertrag sein oder die aktuelle Versicherungsbestätigung für das Fahrzeug.

Die Betriebserlaubnis wird im Zuge der freiwilligen Zulassung entweder eingezogen oder ungültig-gestempelt (was vorzuziehen ist) und durch einen Kfz-Brief und Kfz-Schein (Zulassungsbestätigung Teil 1 und 2) ersetzt. Zudem fordern viele Zulassungsstellen auch die Vorführung des Fahrzeugs zur Kontrolle der Fahrgestellnummer.

Sofern für das Fahrzeug zum Zeitpunkt der freiwilligen Zulassung ein Versicherungskennzeichen gültig ist, so gibt es zwei Möglichkeiten: Das Versicherungskennzeichen und der Versicherungsschein werden von der Zulassungsstelle eingezogen und entweder vernichtet oder an die Versicherung geschickt oder (was vorzuziehen ist) der Versicherungsschein wird von der Zulassungsstelle als ungültig gekennzeichnet und kann dann vom Versicherungsnehmer zusammen mit dem Versicherungskennzeichen an die Versicherung zurückgeschickt werden. Welcher Weg genommen wird, sollte im Vorfeld sowohl mit der Versicherung als auch mit der Zulassungsstelle besprochen werden. Generell ist es zweckmäßig, das Vorhaben im Vorfeld auch mit der zuständigen Zulassungsstelle abzusprechen. Insbesondere, was Eigentumsnachweise angeht. So lassen sich unnötige Wege und Ärger vermeiden.

 

5.       Mythen und Legenden

Zum Thema freiwillige Zulassung findet man leider auch viele Fehlinformationen. Die häufigsten seinen hier aufgeführt:

HU/AU Pflicht?
Trotz freiwilliger Zulassung muss das Fahrzeug nicht alle zwei Jahre zum TÜV. Es ändert sich ja nichts an der Fahrzeugart und Kleinkrafträder, Mofas usw. sind nicht HU-pflichtig. Dies wird i.d.R. sogar im Fahrzeugschein der freiwilligen Zulassung vermerkt. Dies dient hauptsächlich dazu, Verwirrungen bei evtl. Verkehrskontrollen zu vermeiden. Denn das Kennzeichen hat natürlich auch keine HU-Plakette, was seitens der Polizei ja durchaus zu Nachfragen führen kann.

Höhere Endgeschwindigkeit?
Nein, bedauerlicherweise darf man auch mit der freiwilligen Zulassung nicht schneller fahren als mit dem Versicherungskennzeichen.

Bring „die da oben“ nur nicht auf Ideen!
Die freiwillige Zulassung existiert seit der Einführung der zulassungsfreien Fahrzeugklassen mit Versicherungskennzeichen. Also seit 1957. Diese Möglichkeit wurde damals hauptsächlich geschaffen, um bei den damals noch recht verbreiteten Mopeds im gewerblichen und behördlichen Gebrauch den jährlichen Kennzeichenwechsel vermeiden zu können.

Tatsächlich ist die freiwillige Zulassung für die lokalen Straßenverkehrsämter und Zulassungsstellen vor allem eine wenig willkommene Mehrarbeit, und für „den Staat“ ist es egal, ob ein Versicherungskennzeichen oder ein amtliches Kennzeichen direkt mit einer bestimmten Person verknüpft sind. Ein Strafzettel findet ggf. schon seinen Weg zum Halter des Fahrzeugs. Die von manchen herbei befürchtete Einführung einer allgemeinen Zulassungspflicht für Mopeds wird es auf diesem Wege sicher nicht geben.

 

6.       Beispiel aus der Praxis und Fazit

Um ein Beispiel aus der Praxis zu zeigen: Ich habe meine Ape 50 im Februar 2024 in der Stadt Regensburg freiwillig zugelassen. Die Kosten hierfür betrugen:

34,40€ Gebühren der Zulassungsstelle

23,00€ Anfertigung des Kennzeichens

Die Versicherungskosten für die Ape betragen im ersten Jahr nach der Zulassung (SF0 da kein freier Rabatt vorhanden war) 22,00€ für Haftpflicht- und Teilkaskoversicherung. Mit Versicherungskennzeichen waren es für die Saison 2023 33,50€ nur für Haftpflichtversicherung. Die Tarife sind also nicht direkt vergleichbar.

Bei der Ape war die Nachrüstung einer Kennzeichenbeleuchtung nötig. Gelöst durch Rückleuchten aus dem Zubehör mit integrierter Kennzeichenbeleuchtung. Es wurde ein Kennzeichen 200X280mm zugeteilt, für das ein entsprechender Halter angefertigt werden musste. Auch darum war es hilfreich, dass ich im Vorfeld mit der Zulasungsstelle gesprochen hatte, denn so wusste ich bereits, welche Kennzeichengröße benötigt wird.

Kennzeichenhalter im Bau. Dabei kommt es auch darauf an, die nötige Mindesthöhe einzuhalten. An der Rückleuchte ist die integrierte Kennzeichenlampe (seitlich) gut zu erkennen.

 
Der komplette Kennzeichenhalter an der Ape. Bei den meisten Zweirädern dürfte der Arbeitsaufwand deutlich geringer sein.

 Ob sich der Aufwand für eine freiwillige Zulassung im Einzelfall lohnt, das muss natürlich jeder für sich entscheiden. Allerdings gibt es durchaus stichhaltige Gründe, warum dieses Prozedere sinnvoll sein kann. Der wichtigste ist vermutlich die Kostenersparnis bei der Versicherung, die aber natürlich nur dann zum Tragen kommt, wenn man das Fahrzeug über einen längeren Zeitraum nutzen möchte.

Donnerstag, 11. Januar 2024

Alternativer Heckklappengriff (Schlossgriff) für Ape Classic

Manchmal stellen sich einem Herausforderungen, die eigentlich ganz einfach lösbar wären. Einfach durch den Kauf eines Ersatzteils, das im Prinzip einfach lieferbar wäre. Doch was, wenn der Preis dafür einfach zu hoch ist?

So ging es mir vor ein paar Tagen, als sich das folgende Problem stellte: Beim Kastenaufbau einer Ape Classic (Kunststoffkoffer) fehlte der Schlüssel. Von Piaggio gibt es nur den kompletten Schlossgriff zu kaufen, für Preise zwischen 170 und 200 Euro, was mir einfach etwas arg viel für einen simplen Plastikgriff mit einem billigen Plättchenzylinder drin erscheint. Dummerweise gibt es keinen brauchbaren Schließzylinder im Zubehör, und einen Schlüssel für den vorhandenen anfertigen lassen, ist auch nicht viel billiger als der komplette Griff. Was also tun?

Zum Glück ist der Mechanismus denkbar simpel. Der Griff treibt über einen Vierkant (10mm Seitenlänge) ein Zahnrad an, das in zwei Zahnstangen greift, die wiederum die beiden Sperrriegel bewegen. Nahezu alle Schlossgriffe aus dem freien Zubehör (LKW/Anhänger/Landmaschinen) funktionieren nach diesem Prinzip. Allerdings haben diese i.d.R. nur einen 8mm-Vierkant, sind also zu klein.

Ähnliche Vierkante kommen allerdings auch bei Haus- und Zimmertüren zum Einsatz, und für diese gibt es Adapterhülsen, um unterschiedliche Größen mit verschiedenen Schlössern kombinieren zu können. Ein Adapter von 8 auf 10 mm ist eine gängige Größe und in jedem Baumarkt zu haben (Preis ca. 2€). Damit lassen sich ein Universal-Schlossgriff (Preis ca. 20€) und das Zahnrad der Classic miteinander kombinieren.

Der Vierkant ist allerdings zu lang und ragt deutlich zu weit in den Innenraum, als dass sich das Abdeckblech wieder montieren lassen würde. Man muss diesen also entweder kürzen oder ein passendes Loch im Abdeckblech vorsehen. Zweiteres eröffnet die Möglichkeit, einen inneren Griff anzubringen (Drückergriff für Zimmertüren). Somit lässt sich der Kasten in Zukunft auch von Innen öffnen, was zum Beispiel bei Camperumbauten praktisch ist.


Der Griff selbst wird im Übrigen einfach durch die Außenhaut des Kastens verschraubt. Dies ist auch beim Originalteil der Fall, man wird also i.d.R. nur die beiden Löcher etwas anpassen müssen. Im hier gezeigten Fall war es ausreichend, die Löcher mit einer Rundfeile etwas aufzureiben.

Die auf dem Bild zu sehenden Schrauben haben provisorischen Charakter, die mit dem Griff mitgelieferten Schlossschrauben waren zu kurz.

Der hier gezeigte Griff wird als "Schlossgriff Pferdeanhänger" von div. Anbietern etwa über eBay und Amazon vertrieben. Außerdem ist er u.A. bei Fa. JB Brandl (anhaenger-ersatzteile24.de) unter Artikelnummer 990011500 verfügbar. (Stand 01/2024)





Freitag, 29. Dezember 2023

„Kleinkrafträder frei, ein Geschenk der Moderne an die Fahrer alter Karren

 

Manch ein Zeitgenosse mag mich für ein bei der Sintflut vergessenes Urvieh halten. Ich wohne in einer Wohnung mit Möbeln, die größtenteils noch aus Omas Zeiten stammen, ich habe keinen Fernseher und diese Zeilen tippe ich auf einem Computer, den die heutige Jugend vermutlich neben der Totenmaske Tutanchamuns in den Schrein der archäologischen Sehenswürdigkeiten stellen würde. Außerdem fahre ich – überaus gerne sogar – Tag für Tag mit geradezu vorsintflutlichen Fahrzeugen in der Gegend herum.

Man könnte also meinen, dass ich zu jenen Menschen zähle, die die Neuzeit nicht sonderlich schätzen. Doch das stimmt nicht. Moderne Entwicklungen haben durchaus ihre Vorzüge und bisweilen erhält die Gemeinschaft der Urviecher, zu denen auch ein Großteil meiner Kanalzuschauer und Blogleser zählen dürfte, von der Moderne ein kleines Geschenk.

 

Rund um größere Städte entstehen seit einigen Jahren neue Wegenetze für Radfahrer. Das ist gut, denn es bietet eine Reihe von Vorteilen. So dürfen ja schon seit vielen Jahren Mofas, egal wie sie angetrieben werden, außerhalb geschlossener Ortschaften auf dem Radweg fahren, auch wenn dieser nicht durch ein Zusatzschild (Verkehrszeichen 1022-11) freigegeben ist. Das gilt natürlich auch für die neuen Radschnellwege. Vielerorts sind die Radschnellwege aber auch für Kleinkrafträder freigegeben. Der Primärgrund hierfür ist, dass somit diese Wege auch von sogenannten E-Bikes, also schnell laufenden Elektrofahrrädern, die ein Versicherungskennzeichen benötigen, befahren werden dürfen. Diese sind straßenverkehrsrechtlich betrachtet Kleinkrafträder. Genau wie klassische Mopeds und Roller eben auch, die damit auf diesen Wegen ebenso fahren dürfen.

Gerade auf gut ausgebauten, breiten, oft straßenähnlichen Radschnellwegen kann dies durchaus sinnvoll sein und ohne die Gefährdung oder Behinderung anderer geschehen. Außerdem eröffnet es vielerorts die Möglichkeit, kürzere oder sicherere Strecken zu befahren. Etwa bestimmte Brücken oder Straßenunterführungen.

 


Es kann sich also durchaus lohnen, sich in der Gegend umzusehen, denn oft sind diese Strecken nicht nur praktisch und sicher, sondern auch sehr schön zu befahren. Es gilt hier aber wohl ganz besonders, dass man sich so verhalten sollte, dass niemand gestört wird. Denn noch gibt es keine Unterscheidung zwischen modernen Elektro-Kleinkrafträdern und solchen, in klassischer Bauweise. Es wäre schön, wenn das so bleiben würde, da bin ich dann wieder ganz altmodisch.