Fahrzeugportrait: Piaggio TPH 50 (Urmodell)

Wenn im Zusammenhang mit den Produkten von Piaggio die Worte "Legende" und "Klassiker" fallen, dann denken die meisten Zeitgenossen zunächst an die Vespa in all ihren Varianten. Es stimmt auch, als Rollerhersteller wurde Piaggio mit der Vespa groß, dennoch gebührt auch einigen modernen Automatikrollern aus diesem Hause der Titel "Klassiker".


Der 1993 eingeführte, technisch aus der Sfera abgeleitete, TPH der Baureihe TEC ist ein solcher. Grundsätzlich eigentlich als geländegängige, für den Nutzgebrauch in der Forst- und Landwirtschaft (insbesondere in den italienischen Weinbaugebieten) gedachte Alternative zur Sfera, ist der TPH  eine unmittelbare Antwort Piaggios auf den Erfolg des Yamaha BW's. Was die Verantwortlichen in Pontedera damals nicht wissen konnten: Der Ur-TPH begründete eine völlig neue, eigenständige Modellfamile die bis heute erfolgreich ist.

allgemeine technische Daten:
Motor: Einzylinder Zweitaktmotor, luftgekühlt
Motortype: TEC2M
Hubraum: 49ccm
Leistung: 3,1kW bei 7.000upm

Modellgeschichte:
Die Urgeneration des TPH wurde von 1993 bis 2000 produziert. Diese Fahrzeuge, mit dem Präfix TEC1T gekennzeichnet, sind vor allem am einfachen Streuscheibenscheinwerfer mit Biluxleuchtmittel zu erkennen. 2001 erfolgte ein tiefgreifendes Facelift zur Anpassung an die neue Motorgeneration der Baureihe Hyper2. Diese Modelle, später auch als TPH-X bzw. TPH-XR angeboten, sind weitreichend modernisiert. Sie sind hier außen vor, da sie im Grunde eine eigenständige Modellvariante darstellen. Sie sind am Präfix C29 erkennbar. Ihre Produktion endete 2012 mit der Vorstellung des "New TPH", der eine vollständige Neukonstruktion darstellt und mit dem Urmodell nur mehr den Namen gemeinsam hat. 

Modellname:
Der TPH wurde unter diverse Marken- und Modellnamen angeboten. In Deutschland stets als Piaggio TPH vermarktet hieß er in einigen Ländern auch Piaggio Typhoon oder Gilera Typhoon. In Österreich wurde er zeitweise als Puch Typhoon angeboten. 

abgeleitete Modelle:
Der TPH der Baureihe TEC bildet die technische Basis der ersten NRG-Generation. Zudem wurde er er als großrädrige Version, mit 13"-Rädern, auch als Gilera Storm vertrieben. Interessant ist auch der, selten gebliebene, Gilera Stalker, der den TPH zwischenzeitlich ablösen sollte, jedoch von diesem überlebt wurde. Der Stalker kann somit als indirekter Vorgänger des "New TPH" von 2012 gelten.

Grundsätzliches zum TPH:
Der TPH ist im Grundsatz ein Geländefahrzeug. Seine knappe Karosserie sorgt für eine schmale Silhouette, zudem rollte er in den Anfangsjahren ab Werk grundsätzlich auf grobstolligen Reifen vom Fließband. Anders als andere ausgesprochene Geländegänger unter den Rollern, wie eben der bereits erwähnte BW's, ist er jedoch auch auf Asphalt gut fahrbar. 
Der Nutzfahrzeugcharakter zeigt sich, insbesondere im direkten Vergleich mit der Sfera, auch in der recht spartanischen aber robusten Ausstattung. Anders als die Sfera war er in einigen Märkten auch als extrem reduziertes Sparmodell erhältlich. Diese Fahrzeuge verfügen weder über Blinker noch einen elektrischen Anlasser. 




Motor und Antrieb:
Angetrieben wird der TPH vom bekannten, luftgekühlten Piaggiomotor. Es handelt sich hier um die erste Ausführung dieses Triebwerks mit langer Schwinge, die aber ansonsten mit dem Antrieb der Sfera baugleich ist. Gleiches gilt auch für die stufenlose Automatik. Die werksseitige Abstimmung ist gelungen und lässt den Roller agil und spurtstark wirken. 
Fahrwerk und Bremsen:
Die Ballonreifen der Dimension 120/90-10 an beiden Rädern wirkt aus heutiger Sicht kurios, war Anfang der 90er Jahre jedoch bei vielen Roller ähnlichen Charakters zu finden. Egal ob als grobe Geländeausführung oder mit Straßenprofil, in jedem Fall sorgen sie immer für ausreichend Grip bei gleichzeitig hoher Agiliät. Ein Wunder in Sachen Geradeauslauf und Spurtreu ist der TPH aber freilich nicht.

Die Bremsen sind eher zahm, dafür aber ausreichend dosierbar und insbesondere auf losem Untergrund sehr sicher einsetzbar. Eine Scheibenbremse vorne war seinerzeit noch bemerkenswert, die Trommel hinten eher üblich. Die vordere Scheibenbremse des TPH ist insofern bemerkenswert, als ihr Geberzylinder nicht am Lenker montiert ist sondern hinter der Frontmaske. Er wird über einen kurzen Bowdenzug "ferngesteuert". Diese Konstruktion erlaubt eine ungewöhnlich enge Lenkermaske, macht die Bremse aber teigig und erschwert das Erspüren des Druckpunktes.

Das Fahrwerk des TPH würde eigentlich ein Kapitel für sich rechtfertigen. Der stabile, hoch und schmal bauende Rahmen bildet ein enorm steifes Rückgrat für den Roller. Das hintere Federbein ist in der Originalausstattung fein ansprechend und gut gedämpft. Dem gegenüber steht eine geradezu absurd primitive Telegabel mit Fettfüllung. Diese, als "Fettpresse" berüchtigte Konstruktion, war und ist immer wieder eine Quelle für Probleme. In gutem Zustand spricht sie sauber an und dämpft fein, die Lebensdauer des Teils ist jedoch oft kurz. Im Extremfall geht die Gabel komplett fest, was bis hin zu Holmbrüchen führen kann.

Fahrverhalten:
Im normalen Fahrbetrieb gibt sich der TPH stets gutmütig und beherrschbar. Wie viele Fahrzeuge mit Ballonbereifung hat er jedoch nur einen sehr engen Grenzbereich. In besonders schwierigen Fahrtsituationen kann er daher für ungeübte Fahrer gefährlich werden. 
Auf normalen Straßen ist das Fahrverhalten des TPH das für seine Zeit typische. Wirklich brillieren kann er vor allem auf unbefestigtem Untergrund. Die kurze Gesamtübersetzung des Antriebs sowie die relativ hohe Motorleistung machen ihn zu einem wahren Klettermaxe. 

der Ur-TPH im Alltag und aus heutiger Sicht:
Bis heute ist der TPH der Urgeneration uneingeschränkt als Alltagsroller brauchbar. Die knappe Verkleidung bietet zwar wenig Wetterschutz, dafür bietet er aber mit dem großen Helmfach und einem robusten Gepäckträger als Serienausstattung viel Nutzwert. Die bekannt robuste Piaggiotechnik tut ihr übriges zur, bis heute, großen Verbreitung des Fahrzeugs. Zudem gab und gibt es viel Zubehör um einen TPH zu verbessern oder zumindest zu individualisieren. 


Somit ergibt sich ein doppeltes Bild des TPH aus heutiger Sicht. Die ersten Modelle sind mittlerweile über ein Vierteljahrhundert alt. Sie sind somit legitim im Olymp der Youngtimer angekommen und stehen an der Schwelle zum "echten Oldtimer". Gleichzeitig sind sie bis heute uneingeschränkt als Alltags- und Nutzfahrzeug brauchbare, solide und zuverlässige Roller.

Schwachpunkte:
Der TPH weist für einen Roller seiner Zeit relativ wenige Schwächen auf. Das Hauptproblem ist wohl die schlechte Gabel, die darum gerne durch die Version des Faceliftmodells ab 2001 ersetzt wird. Zudem neigt der TPH, wohl auch aufgrund der Nutzungsgewohnheiten vieler Besitzer, häufiger zu Rostschäden am Rahmen als andere Piaggioroller. 










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