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existiert ja nun leider schon seit vielen Jahren nicht mehr. Doch 2011 führte
mich eine dort getroffene Verabredung zu einem kleinen Rollertreffen auf diese
schöne Tour in den Thüringer Wald. Von Regensburg her kommend ist Sonneberg ein
logischer Einstiegsort für diese Tour. Von dort aus wollte ich über Saalfeld
und Jena nach Weimar rollern und über Erfurt bis nach Niederdorla kommen. Von
dort aus sind Gotha und Eisenach, das eigentliche Ziel der Reise, in
problemloser Reichweite.
1. Tag
Am frühen Morgen des
Fronleichnamstages (21.06.) stand zunächst kilometerfressen auf dem Programm.
Raus aus Regensburg und auf der B8 nach Norden, vorbei an Neumarkt und Altdorf
bis nach Lauf an der Pegnitz, um die Stadtdurchfahrt durch Nürnberg zu
vermeiden. Von dort aus führte die Route in einem weiten Bogen durch Franken,
vorbei an Forchheim und Bamberg bis nach Coburg. Alles schöne Orte, jede für
sich eine Tour wert, aber diesmal aus Zeitgründen nur Wegpunkte auf dem Weg zur
Landesgrenze nach Thüringen.
an der ehm. innerdeutschen Grenze bei Coburg |
Kurz hinter Coburg steht ein
Schild am Straßenrand. Vor nicht einmal einer Generation wäre hier das Ende der
Reise erreicht gewesen. Doch glücklicherweise ist vom Eisernen Vorhang nichts
übrig als dieses Schild. Die Zeit lässt die Narben der Geschichte langsam
verheilen und es ist kaum noch zu erkennen, dass hier einst eine künstliche
Trennungslinie das Land durchzog. Ich halte an diesem denkwürdigen Ort kurz an,
mein Roller steht auf dem schmalen Grünstreifen neben der viel befahrenen
Straße und zittert leicht im Wind, wenn die schweren Lastwagen an ihm vorbei
donnern. Gehetzt von den Zeitplänen der Disponenten haben ihre Fahrer kein Auge
für den merkwürdigen Gedenkort den sie soeben passieren.
Glücklicherweise gelten für mich
andere zeitliche Maßstäbe als für die Trucker. Nach den eher trüben Gedanken an
die Zeit des Kalten Krieges suche ich einen nahen Ort auf, der Herz und Seele
erfreut. Kinder und Erwachsene zugleich werden von seiner Magie angezogen und
verzaubert. Die Rede ist natürlich vom Spielzeugmuseum in Sonneberg.
Spielzeugmuseum Sonneberg |
Die Stadt
liegt im Herzen einer Region, die schon seit jeher eine Hochburg der
Spielzeugproduktion ist. Bereits seit dem Mittelalter entstehen hier
industriemäßig Spielwaren. Aber auch kunstvolle Einzelstücke verlassen bis heute
die Werkstätten der Kunsthandwerker. Im Gebäude der ehemaligen Kunstschule
bewahrt bereits seit 1901 das Deutsche Spielzeugmuseum die Schätze dieser
Tradition. Von archäologischen Fundstücken aus dem alten Ägypten bis hin zu
modernem Hightechspielzeug werden zahllose Exponate gezeigt.
Als besonderes
Highlight der Sammlung gilt das Thüringer Kirmes-Panorama mit seinen
lebensgroßen Tier- und Menschenfiguren. Sonneberger Spielzeugmacher fertigten
es 1910 für die Weltausstellung in Brüssel an, wo es mit dem Grand Prix
ausgezeichnet wurde. Leider befand sich das Panorama während meines Besuchs in
der Restauration und es waren nur einige wenige Figuren daraus zu sehen.
Figuren aus dem Kirmespanorama |
Sonneberg, das sich selbstbewusst
Weltspielwarenstadt nennt, ist jedoch mehr als nur der Standort des
Spielzeugmuseums. Es ist auch das Tor zum Thüringer Wald. Direkt hinter dem
Ortsausgang geht es hinein in das grüne Herz des Bundeslandes. Die Straße
mäandert um wilde Felsformationen und folgt wilden Bachläufen. Enge
Wechselkurven und der teilweise schlechte Straßenzustand bringen selbst einen
50er Roller an seine Leistungsgrenzen und es ist volle Konzentration notwendig.
Trotzdem verfliegen die Kilometer bis nach Saalfeld an der Saale wie im Fluge.
Am späten Nachmittag erreiche ich dort mein Tagesziel, den Campingplatz
Saalecamp direkt am Ufer des namensgebenden Flusses. Dort baue ich mein Zelt
auf und unterhalte mich mit dem Platzbesitzer. Der optisch an Crocodile Dundee
erinnernde, ausgesprochen freundliche Zeitgenosse gibt mir den Tipp am Abend in
die Stadt zu fahren. Denn die Altstadt würde um diese Zeit besonders schön
aussehen. Daher beschließe ich zum Abendessen in die Innenstadt zu fahren. Der
Neos läuft, vom Gepäck befreit, wunderbar leicht auf der Campingplatzausfahrt,
doch dann bremst der Fehlerteufel meinen Enthusiasmus mit bösartiger Effizienz
ein. Die wilde Schlachlochpiste bei Sonneberg hat offenbar das Hinterrad des
Rollers zerstört. Der Motor dreht nur noch kraftlos hoch, denn die
Antriebswelle rotiert nutzlos in der völlig rundgerissenen Verzahnung der
Felge. Ziemlich deprimiert schiebe ich den Roller zum Campingplatz zurück und
analysiere die Situation.
viel ist von der Verzahnung nicht übrig |
Schnell ist klar, dass ich hier
mit Bordmitteln nicht weiter komme. Ich brauche ein neues Hinterrad, doch woher
soll ich das hier in Saalfeld nehmen? Im Ort gibt es einen Yamahahändler, doch
dieser kann mir nicht mehr helfen. Zwar bekomme ich den Meister auch zur späten
Stunde ans Telefon, aber eine neue Felge müsste er bestellen, was mindestens
eine Woche dauert. Also rufe ich in der Heimat an, ich habe dort zum Glück
liebe Menschen die mich in jeder Situation unterstützen. Eine Freundin fährt
noch in der Nacht zu meiner Werkstatt und sucht aus dem Fundus ein passendes
Hinterrad heraus. Am nächsten Morgen will sie damit nach Saalfeld fahren und es
sollte möglich sein, dass ich die Tour fortsetzen kann.
2. Tag
Tatsächlich steht sie bereits um 10 Uhr am nächsten
Morgen vor dem Tor des Campingplatzes. Das zerstörte Hinterrad des Rollers
hatte ich ja schon am Abend zuvor ausgebaut und so bleibt jetzt nur noch die
Aufgabe, den Reifen auf die Ersatzfelge ummontieren zu lassen. Wir fahren zwei
Reifendienste an, doch in beiden kann oder will man mir nicht helfen. Zuletzt
rettet eine Firma den Tag, die eigentlich edle Sportwagen aus Norditalien
verkauft. Ein großer goldener Kampfstier ziert die Wand vor der der Mechaniker
meinen Reifen von der Schrottfelge auf das Ersatzteil umzieht. Nicht einmal
eine Bezahlung wollte er dafür und so blieben mir nur ein herzliches „Dankeschön“
und ein großzügiges Trinkgeld für meinen Retter.
Gegen Mittag kann ich Saalfeld
hinter mir lassen und in an Jena vorbei nach Weimar fahren. Dort vermeide ich
die Wohnstätten von Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe, denn
diese sind von zahllosen Touristen belagert. Das Denkmal, das den beiden
Popstars der Weimarer Klassik vor dem Nationaltheater gesetzt wurde ist leider
verhüllt, denn die beiden Dichterfürsten sind renovierungsbedürftig. Darum
erkunde ich noch etwas die Stadt und entdecke das Reiterstandbild Carl August
von Sachsen-Weimar-Eisenach. Der Mann mit dem monströsen Namen war der
wichtigste Förderer und Gönner von Schiller und Goethe in ihrer Weimarer Zeit.
Entsprechend dankbar sind die Literatur- und Lyrikfreunde der Welt ihm bis
heute. Ich fotografiere den in Bronze verewigten Großherzog kurz und fahre dann
weiter, raus aus der Stadt und in das mit lichten Buchenwäldern bestandene
Hügelland. Diese Buchenwälder waren namensgebend für einen Ort, der symbolisch
für ein besonders finsteres Kapitel der deutschen Geschichte steht: Das
Konzentrationslager Buchenwald.
Zwischen 1937 und 1945 fanden an
diesem Ort über 50.000 Menschen, auf grausigste Art und Weise, den Tod. Das von
den Nationalsozialisten als Arbeitslager bezeichnete KZ diente in besonderem
Maße der „Vernichtung durch Arbeit“. Traurig ist, dass es nach seiner Befreiung
durch die Rote Armee im Jahre 1945 nicht geschlossen wurde. Die Russen nutzten
es weiter als Kriegsgefangenenlager und wieder fanden viele Menschen hier einen
sinnlosen und grausamen Tod. Es ist bezeichnend, dass die Zufahrt zum Lager bis
heute Blutstraße genannt wird. In den Jahren 1938/39 wurde sie von den
Lagerinsassen gebaut. Es ist ein seltsames Gefühl, 70 Jahre später, mit dem
Roller über das historische Pflaster dieser Straße zu fahren.
die Blutstraße zum KZ Buchenwald |
Reste der Buchenwaldbahn |
das Mahnmal für die Opfer |
Erfurt war 1808 Schauplatz des
sogenannten Fürstenkongress. Zar Alexander 1. und Napoleon Bonaparte schlossen
hier einen Bündnisvertrag, den aber beide kurze Zeit später brachen. Am 14.
Oktober 1808 verabschiedete Napoleon den russischen Monarchen außerhalb von
Erfurt. Eine Gedenksäule neben der Bundesstraße erinnert heute an dieses
Ereignis. Ich halte hier kurz an und genieße die Geräusche der Natur.
Die
dunklen Geister Buchenwalds verlassen mich hier und verschwinden, gemeinsam mit
dem Zaren und Napoleon, in den Nebeln der Vergangenheit. Vor mir liegt die
Zukunft in Gestalt des hektischen Nachmittagsverkehrs in der Erfurter
Innenstadt. Ich beeile mich auch, denn ich will noch mein Tagesziel erreichen:
Die geographische Mitte Deutschlands nahe der kleinen Ortschaft Niederdorla.
Dies vereitelt jedoch eine Macht
die ebenso unerbittlich ist wie die Geschichte: das Wetter. Kurz hinter Erfurt
gerate ich in einen Sommersturm der heftigsten Art. Starkregen gemischt mit Hagel
und heftigsten Windböen zwingen mich dazu den Roller absichtlich in den
Straßengraben zu steuern, ihn hinzulegen und mich neben dem Fahrzeug zu ducken.
Weiterfahren ist unmöglich und ich muss das Unterwetter buchstäblich aussitzen.
Glücklicherweise ist der Spuk nach wenigen Minuten vorbei, ich bin jedoch total
durchweicht und demotiviert. Die nächste Ortschaft ist Bad Langensalza und ich
suche mir dort eine Bleibe für die Nacht. Das Hotel Bergstube lockt mich und es
ist tatsächlich ein Zimmer frei.
In der warmen Stube breite ich meine völlig
durchnässte Reiseausrüstung aus und ruhe mich etwas aus. Nach dem Abendessen
erkunde ich den kleinen, malerischen Kurort noch etwas und bin begeistert. Das
Unwetter hat mir einen Aufenthalt in einem wunderschönen Ort verschafft und ich
lege mich am Abend ausgesprochen zufrieden und müde ins Bett.
auf Zeitreise ? |
3. Tag
Der nächste Tag beginnt mit einem
ausgiebigen Frühstück und einer Unterhaltung mit dem Hotelbesitzer. Er erklärt
mir wie ich am besten nach Niederdorla komme und ich verabschiede mich
fröhlich. Es sind nur wenige Kilometer von Bad Langensalza zu meinem Ziel und
ich erreiche die zweitausend Seelen Gemeinde noch am frühen Vormittag. Etwas außerhalb des Orts befindet
sich einer der Mittelpunkte Deutschlands.
Das Problem bei der Ermittlung der
exakten geographischen Mitte meines Heimatlandes ist, dass es verschiedene
Verfahren gibt. Der „offizielle Mittelpunkt“ ist jedoch die von den Doktores
Finger und Förge ermittelte Stelle, etwa 500m außerhalb der kleinen
thüringischen Ortschaft. Die Position ist 51°10‘ nördlicher Breite zu 10°27‘
östlich von Greenwich. 1991 wurde hier eine Kaiserlinde gepflanzt und ein
Markstein errichtet. Da dieser laut meinem GPS-Gerät nicht exakt auf der Mitte
steht, kann ich meinen Roller genau auf jedem Punkt platzieren. Ein seltsam
befriedigendes Gefühl.
der Klingonenkreuzer steht exakt im Mittelpunkt, zumindest nach meiner Messung ;) |
Vom geographischen Mittelpunkt
nur durch die Gemeindestraße getrennt, befindet sich ein weiterer sehenswerter
Ort. Das germanische Opfermoor von Niederdorla. Zwischen dem 6. vorchristlichen
Jahrhundert und dem 11. Jahrhundert unserer Zeitrechnung diente das Moor als
Kultplatz und Opferstätte. Torfstecher fanden im Moor zahllose Artefakte und
menschliche Überreste die von den Objekt- und Menschenopfer erzählen, die
unsere Ahnen hier ihren Göttern darbrachten. Heute befinden sich die meisten
der archäologischen Fundstücke im Museum in Erfurt. In Niederdorla hat man
neben dem Moor eine germanische Siedlung rekonstruiert und veranschaulicht so
das Leben unserer Vorfahren.
Von Niederdorla aus lenke ich den
Roller zunächst zurück nach Bad Langensalza und dann weiter in Richtung Süden
auf Gotha zu.
Die ehemalige Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Gotha ist kein
übliches Reiseziel sondern eher ein oft übersehenes Juwel der Geschichte.
Glaubt man den Legenden, so sollen Krieger des Gotenkönigs Theoderich die Stadt
um da Jahr 510 herum gegründet haben. Sicher belegt ist hingegen, dass Gotha
als Haupt- und Residenzstadt der Herzogtümer Sachsen-Gotha und (ab 1826)
Sachsen-Coburg gut 200 Jahre lang ein Brennpunkt europäischer Politik war. In
dieser Zeit war sie auch eine Hochburg der schönen Künste und der Wissenschaft
sowie ein wirtschaftliches Zentrum. So verwundert es kaum, dass hier im Jahre
1820 die Gothaer Versicherungsgesellschaft gegründet wurde. Diese besteht bis
heute und legte den Grundstein des modernen Versicherungswesens in Deutschland.
Aber auch technologisch wurden hier einst Höchstleistungen erbracht. Die
Gothaer Waggonbaufabrik war im Ersten Weltkrieg einer der wichtigsten
Lieferanten moderner Kampfflugzeuge für die deutschen Streifkräfte. Der als
„Riesenflugzeug“ bekannte schwere Bomber Gotha G1 war seinerzeit das größte
Flugzeug der Welt. Ich für meinen Teil bewege mich lieber auf friedlicherem
Terrain und besuche den alten Herzogspalast, der heute ein Museum beherbergt.
Doch das Wetter ist zu gut um den Tag in den düsteren Räumen zu verbringen,
lieber gehe ich in den herrlichen, nach englischen Vorbildern geschaffenen,
Anlagen des Schlossparks spazieren.
Wer von Gotha aus nach Süden
reist, bemerkt schnell die Veränderung der Landschaft. Von den weiten, welligen
Hochebenen Mittelthüringens, an deren Rand die Stadt liegt, geht es in die
Ausläufer des Thüringer Waldes. Die Landschaft wird rauer, zerklüfteter und
waldiger. Auf sanft geschwungenen Straßen, durch Wälder und Täler, erreicht man
so die wohl berühmteste Stadt Thüringens: Eisenach.
Rund um die kreisfreie Stadt
sollten sich die Aktivitäten der nächsten Tage abspielen, darum verzichtete ich
erst einmal darauf die bekannteste Touristenattraktion Eisenachs zu besuchen.
Die Wartburg stand für den nächsten Tag auf dem Programm. Stattdessen lenkte
ich den Roller in die Altstadt und suchte einen Parkplatz. Mit etwas Glück war
einer in unmittelbarer Nähe meines Zieles zu finden. Das Geburtshaus von Johann
Sebastian Bach befindet sich in zentraler Lage in Eisenach. Am 21. März 1685
wurde der spätere Komponist, Dichter und Thomaskantor hier geboren. Das
bescheidene Stadthaus mit seinen trüben Butzenfenstern steht in einem seltsamen
Kontrast zum direkt angeschlossenen modernen Kulturzentrum.
Bachhaus Eisenach |
Glücklicherweise
verirrten sich an diesem Tag nur wenige Touristen zwischen die altehrwürdigen
Mauern des Bachhauses. Während eines einsamen Rundgangs konnte ich den Ort so
in aller Ruhe auf mich wirken lassen. Das Bachhaus ist wunderschön erhalten und
beherbergt eine ausgesprochen sehenswerte und interessante Ausstellung von
historischen Musikinstrumenten und Dokumenten zum Leben Bachs und seiner
Familie. Hier ist der Geist dieses Titanen der Musikgeschichte auf wundersame
Weise greifbar und ich verweile länger ich zunächst geplant hatte.
Leider fällt
beim Verlassen des Bachhauses der Blick auf den Platz vor dem Gebäude.
Eingerahmt von wunderschön restaurierten Stadthäusern reihen sich Reisebusse
auf. Wie gestrandete Wale drängen sich diese auf Hochglanz polierten Giganten
in der historischen Stadt. Anstelle von Bachs lieblicher Musik hört man das
dumpfe Brummen von Dieselmotoren und Stimmengewirr. Ein befremdlicher Kontrast
zur altehrwürdigen Stadtkulisse.
Dabei ist Eisenach einer der
Städte Ostdeutschlands, die am weitesten von den Sünden realsozialistischer
Betonmischerarchitektur verschont blieben. Die Stadt wurde nach der Wende
ebenso auf Hochglanz poliert wie die Busse der Reiseveranstalter. Lediglich das
uralte, völlig abgeschliffene und stellenweise spiegelglatte Kopfsteinpflaster
zeugt noch von den vielen Jahren des Verfalls. Mein Roller hoppelt darauf
fröhlich einher als ich zum Campingplatz weiter fahre. Der Altenberger See ist
nicht weit von Eisenach entfernt und so kann ich bald mein Zelt aufschlagen.
Direkt am Ufer des Sees bereite ich mein Abendessen zu.
Nach dem Essen fahre
ich noch einmal los und besuche die nahegelegene Ortschaft Möhra. Der Ort
bezeichnet sich als Lutherstammort, was sich darauf bezieht, dass die Familie
des Reformators hier ihren Ursprung hatte. Die offizielle, auf zeitgenössischen
Dokumenten basierende, Geschichtsschreibung verzeichnet bekanntlich Eisleben
als Geburtsort des Reformators, doch es gibt auch Theorien, die seine Geburt
weiter nach Süden, eben nach Möhra, verlegen. Mögen sich die Gelehrten über
solche Ungereimtheiten der Geschichte streiten, mir ist es herzlich egal und
ich genieße viel lieber die Fahrt durch die malerische Landschaft. In Möhra
finde ich das Lutherdenkmal am Dorfplatz, das an einen Besuch des Reformators
im Jahre 1521 erinnert.
4. Tag
Ich bin einen Tag vor Markus und
Andre in Eisenach angekommen und habe daher am nächsten Morgen nichts weiter zu
tun, als auf die beiden zu warten. Doch auf dem Campingplatz herum zu sitzen
wiederstrebt mir. Darum mache ich einen Ausflug nach Bad Liebenstein. Die
Kleinstadt gilt als ältestes Heilbad Thüringens, denn es erhielt diesen Status
bereits 1907 und war zu DDR-Zeiten der größte Herzkurort des Landes. Außerdem
zählte Bad Liebenstein ab 1849 Friedrich Fröbel zu seinen Bürgern, der
Begründer des modernen Kindergartenwesens hatte hier ein Wohnhaus erworben. Das
Gebäude beherbergt heute das Hotel Fröbelhof, einen eleganten Gasthof.
Ganz in der Nähe dieser guten
Adresse beginnt der Fußweg durch den Wald, hinauf auf den Burgberg. Hoch über
der Stadt grüßt die Ruine der Burg Liebenstein und lädt Wanderer zum Verweilen
ein.
Das schaurig-schöne Gemäuer der Ruine lässt doch erahnen, wie wehrhaft die
Höhenburg einst war. Von Mauern, Zinnen und Wallanlagen geschützt, gewährte
sich im damals häufigen Kriegsfalle den Liebensteinern Sicherheit vor dem
Feind. Tatsächlich wurde die Burg nie erobert, erst ihre Aufgabe im Jahre 1667
führte zu ihrem langsamen Verfall.
Der kleine Ausflug nach Bad
Liebenstein war genau richtig gewesen, denn nur wenige Minuten nach meiner
Rückkehr zum Campingplatz traf Andre dort ein. Wir aßen im Restaurant des
Platzes zu Mittag und fuhren dann wieder los, etwas Zubehör für den geplanten
Grillabend besorgen. Mit Thüringer Bratwurst und Getränken kamen wir einige
Zeit später zurück und fanden Markus vor, der kurz vorher angekommen war.
Unsere Gruppe war damit komplett und einem gemütlichen Grillabend stand nichts
mehr im Wege.
teilweise ließ die Verpflegung zu wünschen übrig ... |
5. Tag
Den ersten gemeinsamen Tag
begannen wir mit einem gemütlichen Frühstück am Campingplatz bevor wir nach
Eisenach fuhren. Kurz nach Öffnung der Tore ist die Wartburg noch nicht so
extrem überrannt und wir konnten die berühmte Festung in Ruhe erkunden. Bekannt
ist die Wartburg, die im 11. Jahrhundert errichtet wurde, vor allem wegen des
Aufenthalts von Dr. Martin Luther in den Jahren 1521 und 22. Unter der
Deckidentität Junker Jörg verbarg er sich hier vor seinen Feinden und arbeite
an seiner Übersetzung der Bibel ins Deutsche. Es ist jedoch sehr
wahrscheinlich, dass Luther die Wartburg in ihrem heutigen Erscheinungsbild
nicht erkennen würde. Ein Großteil der heute zu sehenden Gebäude stammt aus dem
19. Jahrhundert und ist historisch nicht korrekt. Von der mittelalterlichen
Wartburg ist kaum etwas erhalten. Zu den wenigen im Original erhaltenen Teilen zählen
die Wehranlagen der Burg. Es ist noch immer gut zu erahnen, welchen Eindruck
diese Bollwerke auf die Zeitgenossen Dr. Luthers gemacht haben müssen. Ein
feste Burg, ein gute Wehr und Waffen, wie es in einem von ihm gedichteten
Liedtext heißt, ist dies tatsächlich einst gewesen.
Doch all die mittelalterlichen Schutzwälle
nützen nichts gegen neuzeitliche Touristenströme. Vor ihrem Einfall fliehen
wir, zurück nach Eisenach. Ruhiger geht es da heute an einem Ort zu, der vor
gar nicht so langer Zeit noch vom Lärm der Industrie erfüllt war. Das ehemalige
AWE-Werk am Rand der Stadt ist historisch von großer Bedeutung. Von den
Pioniertagen des Automobilbaus bis in die frühen 1990er Jahre entstanden hier Wagen
unterschiedlicher Marken. Bis heute bekannt sind die Lizenzbauten des Austin Seven,
die hier als Dixi entstanden. Ende der 1920er Jahre übernahm BMW das Werk und
baute hier seine ersten Autos. Die Wiege der bis heute berühmten BMW-Sportwagen
der 1930er Jahre stand nicht an der Isar sondern hier in Thüringen. Nach dem
Krieg wurden veränderte BMW-Typen als EMW weiter gebaut und später durch die
Fahrzeuge der Marke Wartburg abgelöst.
Heute steht ein Großteil der
Fabrikanlagen leer und verfällt langsam. In einem Nebengebäude existiert jedoch
ein kleines Museum, dessen Besuch uns jedoch verwehrt blieb. Wir fuhren daher
zunächst zum Campingplatz zurück um zu Mittag zu Essen.
Leichter Regen ließ und überlegen
wie wir den Nachmittag verbringen sollten. Die eigentlich geplante Ausfahrt
durch den Thüringer Wald erschien wenig verlockend, weshalb wir sie auf den
Kernpunkt abkürzten. Andres Familie hat ihre Wurzeln in Thüringen und er wollte
daher den Ort Ruhla besuchen. In Ruhla bekamen wir den Tipp, nach Kittelsthal
zu fahren. Dort gäbe es eine sehenswerte Tropfsteinhöhle. Angesichts des
mäßigen Wetters eine verlockende Idee. Gesagt, getan!
Die Tropfsteinhöhle von
Kittelsthal schließt sich an ein altes Bergwerk an. Die Bergleute, die hier
Schwerspat förderten, entdeckten die Höhle im Jahre 1888 durch Zufall. Sie
beherbergt ein besonderes Naturwunder, die große Pyramide, einen der größten
Tropfsteinmonolithen Europas. Für die Besucher führt der Weg durch den
ehemaligen Bergwerksstollen hinab in die Tiefe. 228 Stufen überbrücken die gut
48 Meter Höhenunterschied.
Als wir nach der kurzweiligen Führung wieder an der
Erdoberfläche angekommen sind, ist auch die Sonne wieder da. Fröhlich rollern
wir zurück zum Campingplatz und beschließen den Tag im Platzrestaurant und am
Lagerfeuer.
6. Tag
Früh am Morgen nehmen wir
Abschied, voneinander und von Thüringen. Für mich geht es in direkter Linie
nach Hause, denn der nächste Tag ist für mich wieder ein Arbeitstag. Durch die
Rhön rollere ich zurück in Richtung Bayern. Vorbei an Coburg und Nürnberg, auf
teilweise schon von der Anfahrt her bekannten Strecken. Nach nasskaltem
Regenwetter in der Rhön hole ich bei Coburg und im Maintal die Sonne ein.
Den
Kopf voll schöner Erinnerungen geht es in die Heimat. Diese Woche verging viel
zu schnell, aber ich freue mich trotzdem wieder zu Hause anzukommen. Die
Vorfreude auf die nächste Tour ist aber, wie immer in solchen Momenten, schon
da.
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