Grundsätzliches
Kreidler, ein Name
wie Donnerhall. Auch wenn es jetzt schon einige Jahrzehnte her ist, dass
die letzte Maschine das Werk in Kornwestheim verlassen hat. Es ist
wohl nicht vermessen zu behaupten, dass der Name Kreidler in den Annalen der Motorradgeschichte in einem Atemzug mit Marken wie BMW, Laverda oder
Harley-Davidson zu nennen ist. Kurz gesagt: Kreidler ist eine Legende.
Von der alten Firma Kreidler ist heute jedoch nur noch der Name übrig, die Rechte daran gingen im Laufe der Zeit durch diverse Hände, unter anderem auch durch die der Prophete GmbH. Einem Unternehmen, das selbst als Hersteller von Fahr- und Motorrädern seit den Pioniertagen der Motorisierung aktiv ist. Die Roller die unter der Ägide von Prophete als Kreidler verkauft wurden entstammten jedoch taiwanesischer Produktion.
Der RC50, zeitweise mit dem Namenszusatz Flory angeboten, ist ein Produkt der Firma Standardmotors Taiwan (SMC), die vor allem für die Rex- und Rexyroller der 1990er Jahre bekannt ist. Den RC50 gab es folgerichtig auch als Rexmodell von einem anderen Importeur. Diese, bis auf die Dekoraufkleber völlig mit dem RC50 identischen, Fahrzeuge wurden als Flash oder Speedy angeboten. Das hier geschriebene gilt naturgemäß auch für diese Roller.
Motor und Antrieb
Der Motor ist ein
Lizenzbau des bekannten Minarellimotors und mit diesem weitgehend
kompatibel. Es handelt sich um die Ausführung mit langer Schwinge
und Trommelbremse hinten, die im Original unter anderem im Yamaha Neo`s / MBK Ovetto Verwendung findet.
Dieser Motor ist
bekannt für kräftigen Antritt und lange Lebensdauer. Er leistet im RC50
3,1kw bei 6800upm (50/45km/h Version) oder 1,5kw bei 5500upm (25km/h
Version). Die Kraftübertragung erfolgt mittels eines
klassentypischen stufenlosen Automatikgetriebes. Im RC50 fällt die werksseitige Antriebsabstimmung leider nicht optimal aus, die werksseitig
eingebauten Fliehgewichte sind zu schwer gewählt und lassen den
Roller träge antreten und an Steigungen stark abfallen. Hier hilft
die Umrüstung auf leichtere Fliehgewichte, die leider nicht zulässig
ist, auch wenn sich in der Praxis nur sehr selten jemand daran stoßen
dürfte.
Fahrwerk und Bremsen
Das Fahrwerk des
RC50 hält keine nennenswerten Überraschungen bereit. Es handelt
sich um einen Stahlrohrrahmen mit Telegabel vorne und einem einzelnen
Federbein hinten.
Die Telegabel ist von einfacher Machart, aber solide. Ihre Dämpfungswirkung ist relativ gering, was dazu führt, dass harte Stöße gnadenlos an den Fahrer weitergegeben werden. Das hintere Federbein solidarisiert sich mit der Gabel und tritt ebenfalls kräftig nach. So erhält der Fahrer extrem deutliche Rückmeldung über den Zustand der Straße. Trotz dieser Unzulänglichkeiten liegt der RC50 gut auf der Straße. Mit guten Reifen ausgerüstet steht dem Fahrer immer ausreichend Grip zur Verfügung. Der relativ hochbeinige RC50 hat viel Schräglagenfreiheit und eignet sich gut zum Kurvenräubern.
Auf kleinen,
kurvigen Landstraßen bietet er sehr viel Fahrspaß und kann auch
sportlich ambitionierte Fuffipiloten befriedigen.
Die Bremsanlage,
bestehend aus einer kleinen Scheibe vorne und einer Trommel hinten, ist ausreichend dimensioniert. Mit angenehm geringen Bedienkräften
bringen die Stopper den Roller zuverlässig zum Stehen. Dabei neigt
der RC50 nicht zum Überbremsen, wie viele andere Roller von
SMC, was wohl seinem höheren Gewicht geschuldet sein dürfte, denn grundsätzlich ist die Bremsanlage weitgehend baugleich zu der der kleineren Rexroller. Sicher tragen die beiden Zwölfzöller mit breiten 120er
(vorne) bzw. 130er (hinten) Gummis ebenfalls hierzu bei. Der 74kg schwere
RC50 ist ausgesprochen handlich und wendig genug, um sich durch das
alltägliche Verkehrschaos zu schlängeln. Die relativ großen und
breiten Räder behindern ihn hier nicht.
der RC50 im Alltagsgebrauch
Roller wie der
RC50 sind primär Nutzfahrzeuge. In dieser
Disziplin kann er dann auch punkten. Er ist nicht nur einer der
wenigen modernen Roller, die ein (benutzbares) Handschuhfach
aufweisen, er hat auch noch ein großes, gut nutzbares Helmfach.
Zudem ist er bereits ab Werk mit einem soliden Gepäckträger
ausgerüstet, dieser eignet sich gut zum Anbau eines Topcase. Der Wetterschutz
hinter der eher schmal gehaltenen Verkleidung ist ausreichend, wenn
auch nicht perfekt. Für Allwetter- und Ganzjahresfahrer sollte eine
Windschutzscheibe aber ohnehin obligatorisch sein.
das Handschuhfach ist beim RC50 sehr gut nutzbar, anders als bei vielen anderen modernen Rollern |
Anders als andere Baumarktroller ist der RC50 zudem relativ groß und lang, er passt damit auch Fahrern mit europäischem Körperbau. Insbesondere langbeinige Menschen wissen ein breites und tiefes Trittbrett zu schätzen.
Der RC50 war ab Werk stets mit einem Seitenständer ausgerüstet. Dies ist im Alltagsgebrauch nützlich, den der Hauptständer ist unglücklich positioniert, so dass Aufbocken trotz des relativ geringen Gewichts schwierig ist.
Der RC50 war ab Werk stets mit einem Seitenständer ausgerüstet. Dies ist im Alltagsgebrauch nützlich, den der Hauptständer ist unglücklich positioniert, so dass Aufbocken trotz des relativ geringen Gewichts schwierig ist.
das Cockpit ist einfach, liefert aber alle nötigen Informationen |
Die groß
dimensionierten Blinker und das große, gut sichtbare Rücklicht
sorgen für Sicherheit. Der Scheinwerfer ist hingegen
unterdimensioniert. Nachtfahrten auf unbeleuchteten Landstraßen
werden mit dem RC50 schnell zur Mutprobe. Leider gibt es kaum eine
praktikable (und zulässige) Lösung für dieses Problem. Doch dies ist kein typisches Problem sondern ein Schwachpunkt bei vielen Fuffirollern seiner Zeit.
Bei Wartung und
Unterhalt, kann der RC50 dann wieder Boden gutmachten. Die
wesentliche Technik ist gut zugänglich. Das Helmfach ist nach Lösen
weniger Schrauben herausnehmbar, ohne das die Heckverkleidung
demontiert werden muss. Dieses Feature wünscht man sich bei manch
deutlich teurerem Roller! Nervig ist der
kleine und schlecht zugängliche Öltank der Getrenntschmierung. Hier
ist beim Nachfüllen des lebenswichtigen Schmierstoffs Vorsicht
geboten, sonst landet mehr des kostbaren Rohrstoffs auf dem Pflaster
als im Tank.
Schwachpunkte
Konstruktiv
bedingte Schwachpunkte kennt der RC50 eigentlich nicht. Er leidet
eher, wie alle Baumarktroller, unter Ignoranz und Geiz seiner
Besitzer. Viele der heute gebraucht angebotenen RC50 sind in verwahrlostem
Zustand und die Wartung wurde entweder gar nicht oder schlecht
ausgeführt.
Im Winter
gefahrene Exemplare können Rostschäden aufweisen. Zudem ist der
bei, der 45km/h-Version und späteren Mofas, verwendete Auspuff mit
ungeregeltem Kat von schlechter Qualität. Der Schalldämpfer ist
hier oft schon nach einem Winter rettungslos durchgerostet. Viele
RC50 sind daher mit, nicht immer legalen, Zubehörauspuffanlagen
unterwegs.
ggf. eignet sich der RC50 auch als Basis für Customprojekte |
Fazit
Wer einen soliden,
verlässlichen und praktischen Roller sucht wird beim RC50 fündig.
Neufahrzeuge gibt es leider nicht mehr, daher bleibt nur der
Gebrauchtkauf.
Bei der Suche nach einem RC50 sollte sich der
Interessent darauf gefasst machen, sehr viele Schrottroller ansehen
zu müssen, bis er einen guten gefunden hat. Wie bei allen
Billigrollern ist der Wartungszustand vieler Fahrzeuge so schlecht,
dass sie nicht mehr verkehrssicher sind. Der vergleichsweise geringe Wert der Fahrzeuge rechtfertigt zudem keine umfangreiche Sanierung, dafür sind Teileträger günstig zu bekommen.
Wer jedoch das Glück hat einen gut erhaltenen RC50 zu finden, der bekommt einen Roller, der ihm noch viele Jahre Freude bereiten und treu dienen wird.
Wer jedoch das Glück hat einen gut erhaltenen RC50 zu finden, der bekommt einen Roller, der ihm noch viele Jahre Freude bereiten und treu dienen wird.
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