Es gibt Touren, bei denen von
Anfang an klar ist, dass sie anders sein werden als Andere. Eine solche Reise
war auch diese kleine Tour nach Rheinland-Pfalz im Herbst 2010. Mir stand ein
langes Wochenende zur Verfügung und ich habe es genutzt, um einige Freunde zu
besuchen und die wunderschöne Landschaft des Pfälzer Waldes zu erleben. Die
Kürze der Zeit machte jedoch ein paar Kompromisse bei der Reiseplanung
notwendig.
Tag 1, Bad Rappenau und Anreise nach Neustadt an der Weinstraße
Ein solcher Kompromiss war die
Streckenwahl für die Anreise. Statt auf kleinen und kleinsten Nebenstraßen in
die Pfalz zu rollern, habe ich, um genug Zeit für ein gemütliches Treffen mit
Christian in Bad Rappenau zu haben, den TPH gleich zu Anfang auf die Autobahn
gelenkt. Der TPH 125 gilt, als einer der ganz wenigen großen Zweitaktroller,
als uneingeschränkt vollgasfest und autobahntauglich. Tatsächlich schluckte der
alte Italiener die Kilometerfresserei mit stundenlangem Dauervollgas
anstandslos. Von Regensburg aus über die A3 und die A6 war Heilbronn bald
erreicht und kurz danach verließ ich bei Bad Rappenau die Autobahn.
Ich war früh los gefahren, noch
vor Sonnenaufgang und somit kam ich rechtzeitig zu einem späten
Weißwurstfrühstück in dem Kurort im Kraichgau an. Auf Christians besonderen
Wunsch hin hatte ich original Münchner Weißwürste und süßen Senf aus Bayern
„exportiert“. Anschließend zeigte Christian mir seinen Heimatort. Rund um die
historische Saline hat man dort einen wunderschönen Landschaftspark angelegt.
Dieser kombiniert moderne Landschaftsarchitektur mit der, Jahrhunderte alten,
Tradition des Salzabbaus. Hauptattraktion des Parks ist ein moderner Nachbau
eines historischen Gradierwerks. Eine genial simple Konstruktion: Salzwasser
wird von einer einfachen Pumpe zum höchsten Punkt der Anlage gefördert und
rinnt dann langsam durch einen riesigen Haufen Schilfhalme hinab. Dabei setzt
sich das Salz auf den Halmen ab und lässt sich leicht ernten. Als Nebeneffekt
entsteht im Umfeld des Gradierwerks eine feuchte, salzhaltige Atmosphäre deren
heilsame Wirkung bei allerlei Lungenkrankheiten man schon früh entdeckte. Aus
der Salzindustrie entstand so der Kurbetrieb in Bad Rappenau.
Kurpark Bad Rappenau |
das Gradierwerk im Kurpark Bad Rappenau |
Dank der heilsamen Salzluft des
Gradierwerks waren meine Lungen dem erneutem Staubschlucken auf der Autobahn
gewachsen. Von Bad Rappenau ist es nicht weit nach Hockenheim. Im Schatten der
berühmten Rennstrecke bog ich ab, weg von der Autobahn und auf die Landstraße
nach Speyer. Die Domstadt wurde für mich zur Wegmarke auf der weiteren Fahrt
nach Neustadt an der Weinstraße, wo ich zunächst eine kleine Motorradwerkstatt
ansteuerte. Mein TPH lief zwar hervorragend und bedurfte keinerlei Reparatur,
allerdings ist der Mechaniker der Firma ein langjähriger Freund von mir. Beni
freute sich herzlich über das Wiedersehen und wir verabredeten uns für den
Abend bei Katja und Patrick. Die beiden hatten mir freundlicherweise eine
Übernachtung auf ihrem Sofa angeboten, ein Angebot das ich natürlich nicht
ablehnen konnte.
Der Abend wurde dann noch lang.
Benis zweite Leidenschaft neben schnellen Motorrädern ist guter Wein, eine
Substanz an der die Region ebenso reich ist wie an schönen Motorradstrecken. Es
wurde schnell klar, dass es am nächsten Morgen nicht zu früh weitergehen würde.
Tag 2, durch die Vorderpfalz und den Pfälzer Wald
Am nächsten Morgen war klar, dass
wir alle einiger Ruhe bedurften. Die gestern noch besprochene, große Runde bis
nach Pirmasens erschien uns allen ein wenig zu viel. Katja hatte überhaupt
keine Energie zum Rollerfahren und so brachen Patrick und ich am späten
Vormittag zu einer kleineren Runde durch den Pfälzer Wald auf.
Die kurze aber unglaublich schöne
Strecke von Neustadt über Deidesheim und Wachenheim nach Bad Dürkheim scheint
direkt einer Kitschpostkarte entnommen zu sein. Endlos erscheinende Weingärten
vor dem Hintergrund der sanften, dunkel bewaldeten Berge des Pfälzer Waldes
lassen die Szene wie aus einem Bilderbuch entnommen erscheinen.
Weingärten in der Vorderpfalz |
Bad Dürkheim bildet dann das Tor
zum eigentlichen Pfälzer Wald. Der Vorort Hardenburg liegt am Eingang des
Isenachtals in dem die Straße in weichem Schwung dem Flusslauf folgt. Über dem
Taleingang hockt, wie ein trutziger Wächter aus uralter Zeit, die Ruine der
Hardenburg auf ihrem Felsen. Sie wirkt nach dem weichen Licht der Weingärten so
finster und unheilvoll wie die dunklen Waldungen des Pfälzer Waldes. Ein Stück
weiter zweigt eine kurz Stichstraße von der Hauptstraße durch das Tal ab. Sie
führt zum Isenachweiher, einer alten Triftklause aus der Zeit, als Holzfäller die
geschlagenen Stämme noch durch die Kraft des Wassers zu Tal förderten.
Bad Dürkheim |
die Ruine Hardenburg wacht über dem gleichnamigen Ort |
am Isenachweiher |
Die Straße steigt immer weiter an
und erst bei der Ortschaft Frankenstein öffnet sich das Land ein wenig. Hier
kreuzen sich drei Täler und der Blick weitet sich etwas. Wir biegen nach rechts
ab, in Richtung Hochspeyer von wo aus wir zum Johanniskreuz hinauf fahren
wollen. Doch die direkte Straße ist gesperrt und wir müssen noch ein wenig
weiter fahren. Kaiserslautern schluckt uns für einen kurzen Moment mit
geschäftigem Treiben. Vorbei am Tor des amerikanischen Militärstützpunkts geht
es jedoch bald wieder auf einer kleinen Nebenstraße in den Wald hinaus. Auf den
engen, kurvenreichen Straßen dieser Region wimmelt es im Sommer von
Motorradfahrern, doch an diesem Herbstsamstag haben wir die Strecke für uns
allein. Es ist eine Gegend, die der Wetterbericht als Hochlage des
Mittelgebirges bezeichnen würde. Es ist merklich kühler und feuchter als in
Neustadt, dichter Hochnebel hängt zwischen den Bäumen und gibt dem Land das
Aussehen einer magischen Märchenlandschaft.
Oben am Johanniskreuz kehren wir
zu einem späten Mittagessen ein. Wir sind die einzigen Gäste und genießen den
exklusiven Service. Anschließend geht es weiter, nicht auf der direkten
Ausfahrt durch das berühmte Elmsteiner Tal, denn das ist am Wochenende für Krad
gesperrt, sondern auf einer Nebenstraße nach Waldleiningen. Diese Straße, die
kaum mehr als ein asphaltierter Waldweg ist, bietet Rollervergnügen der
besonderen Art. Das legendär schlechte Fahrwerk und die noch schlechteren
Bremsen meines TPH kommen hier sofort an ihre Grenzen und zum ersten Mal muss
ich mich nicht künstlich bremsen, um Patrick auf seinem BW’s 50 das Mithalten
zu ermöglichen. Die Straße klammert sich in bizarren Kurven und Windungen an
den Rand einer Schlucht, deren Boden im Nebel nicht zu erkennen ist. Auf der
anderen Straßenseite ragen schroffe Felsen zwischen den Bäumen auf. Es ist eine
wilde, urtümliche Landschaft. In Waldleiningen legen wir eine Pause ein, ich
muss mich kurz ausruhen denn den TPH auf solchen Straßen zu fahren ist ein regelrechter
Kampf.
wir waren die einzigen Gäste am Johanniskreuz |
Die kleine Ortschaft liegt in
einem tief eingeschnittenen, engen Talkessel. Auf der einen Seite führt die
Straße zum Johanniskreuz hinauf, auf der anderen steigt sie zur Schwarzen Sohl
hinauf, um dann nach Weidenthal hinunter zu führen. Diese Strecke ist nicht
weniger wild und schwierig zu befahren als der erste Abschnitt, aber genau
darum kommen wir mit einem fest sitzenden Dauergrinsen in Weidenthal an.
Die landschaftlich schöne und
sanft geschwungene Hauptstraße über Lambrecht nach Neustadt ist eine Erholung
nach der Kurventoberei im Pfälzer Wald. Pünktlich zum Abendessen kommen wir
dort an und ich gehe bald schlafen, denn morgen muss ich zurück in die Heimat
und will darum früh aufstehen.
Tag 3 Heimreise mit Panne
Auf den meisten Touren ist die
Heimreise ein eher freudloser Teil. Man hat sich ausgetobt und will einfach nur
noch nach Hause zurück. Hier machte diese Tour eine Ausnahme, denn ich wollte
nicht wieder stundenlang freudlos Kilometer auf der Autobahn fressen, sondern
die Landstraßen genießen. Ich hatte ja Zeit, kein Zwischenstopp bei Freunden
war geplant und es war auch egal, ob ich erst mitten in der Nacht zu Hause
ankommen würde. Von Neustadt bis Speyer funktionierte dieser Plan auch
hervorragend, allerdings war die direkte Route über die Bundesstraße bei
Hockenheim gesperrt. Eine Polizeieinheit versperrte mir die Weiterfahrt und auf
Nachfrage erfuhr ich, dass es DTM-Wochenende war. Die schiere Anzahl der
Rennfans, die Hockenheim an diesem Tag besuchten, war so groß, dass leider
Verkehrsumleitungen notwendig waren. Eigentlich nicht schlimm, doch die
mögliche Umfahrung auf Landstraßen hätte einen riesigen Umweg bedeutet. Der
Plan war also, doch ein kurzes Stück auf der Autobahn zu fahren und Hockenheim
auf diese Weise zu umgehen.
Nun neige ich ja eigentlich nicht
dazu, meinen Fahrzeugen menschliche Eigenschaften zu unterstellen. Es schien
jedoch, als habe der TPH andere Pläne. Schon bei der Auffahrt auf die Autobahn
machte sich ein kurzes Ruckeln bemerkbar, wenige Kilometer weiter, knapp vor
dem Rasthof Hockenheim, war dann Zwangspause angesagt. Kein Kraftschluss mehr
und ich konnte nur noch ausrollend den Rasthof erreichen. Zwischen abgestellten
LKW dann die Diagnose: die Riemenscheibe des Variators hatte sich gelöst und
der Riemen war abgesprungen. Eine Reparatur mit dem Bordwerkzeug unmöglich. Ein
Anruf beim ADAC brachte mir dann die freundliche Anwesenheit eines
Pannenhelfers, der mir jedoch auch nicht weiterhelfen konnte. Denn mit der
Bordausrüstung des Pannenhilfswagens war ebenfalls keine Reparatur möglich.
Deshalb wurde er bald von einem Kollegen mit einem Abschleppwagen abgelöst.
Doch wohin sollte dieser mich bringen? Sonntags haben ja alle Werkstätten
geschlossen und ich wollte weiter. Es war nichts kaputt, ich brauchte nur einen
Schlagschrauber um die Kurbelwellenmutter wieder festzuziehen. Dann fiel mir
glücklicherweise ein, dass ein Bekannter zur damaligen Zeit als Pastor der
Methodistenkirche in Hockenheim wirkte. Ein ungewöhnliches Ziel für die Fahrt
mit dem Abschleppwagen, doch dieser Bekannte ist nicht nur ein Mann Gottes,
sondern auch einer des Schraubenschlüssels. Doch wieder durchkreuzten die
Rennsportfreunde den Plan, denn auch mit dem Abschleppwagen war es nicht
möglich in den Ortskern zu kommen und die Kirche zu erreichen.
Christuskirche Hockenheim |
Roland an seinem "Arbeitsplatz" |
Glücklicherweise ist Hockenheim
aber nur eine Kleinstadt. Deshalb ließen wir den Roller vor dem Ort auf einem
Wandererparkplatz stehen und ich ging zu Fuß in den Ort. Der Abschlepperfahrer
hatte mir den Weg zur Methodistenkirche beschrieben und so stand ich keine
zwanzig Minuten später vor dem Tor des Gotteshauses. Der Gottesdienst war
gerade zu Ende gegangen und Roland, der Pastor, stand an der Kirchentür um die
Besucher zu verabschieden. Er staunte nicht schlecht als er mich bemerkte und
fragte natürlich was mich so unerwartet zu ihm gebracht habe. Was folgte war
eine jener Episoden, die das Tourenfahren erst spannend machen.
Roland verwies mich an einen der
Gottesdienstbesucher, einen älteren Herrn von vielleicht sechzig Jahren. Es
stellte sich heraus, dass er der Chef eines örtlichen Busunternehmens war und,
wie wohl jeder Busunternehmer, über eine gute ausgerüstete Werkstatt verfügte.
Es folgte eine wüste Irrfahrt durch die teilweise gesperrte Stadt zum Busdepot,
wo wir den PKW stehen ließen und in einen Stadtverkehrsbus umstiegen. Das
Fahrzeug war als einziges verfügbare dazu geeignet den Roller zu
transportieren. Wieder waren die Straßensperren ein Problem, doch der
Busunternehmer kannte seine Stadt gut und vor allem ihre Schleichwege sehr
genau. Knapp eine Stunde später stand mein Roller darum in der
Omnibuswerkstatt, wo es endlich den gesuchten Schlagschrauber gab. Eine halbe
Stunde und viel Dankbarkeit später war ich wieder unterwegs, auf einem von
meinem neuen Freund gewiesenen Weg um die Stadt herum und auf die Landstraße
Richtung Heilbronn.
Es ist ein wunderschönes Gefühl,
nach einem solchen Abenteuer wohlbehalten zu Hause anzukommen. Voller Dankbarkeit
für die zurückliegenden schönen Tage und voller Vorfreude auf die nächste Tour.
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