Samstag, 3. Februar 2018

Tour: Berchtesgadener Land mit Rossfeldstraße und Obersalzberg



In kaum einer anderen Gegend sind die Alpen so malerisch, ja schon fast schmerzhaft-klischeebeladen schön, wie im Berchtesgadener Land. Nicht zuletzt darum ist diese Region in den Sommermonaten keine Empfehlung für Genussreisende auf der Suche nach Stille und Erholung. Zu viele Touristen erliegen Jahr für Jahr dem Charme der Bergwelt. Aus diesem Grund bin ich diese Tour erst relativ spät im Jahr gefahren. Anfang Oktober ist es noch warm genug um die Landschaft entspannt zu genießen, aber die Saison der ganz großen Touristenströme ist auch schon wieder vorbei. Es ist eigentlich die perfekte Jahreszeit um den südlichsten Zipfel Bayerns zu erleben. 



Von Regensburg nach Berchtesgaden sind es nur knapp 250km. Keine allzu gewaltige Tagesleistung, was aber dem Reisegenuss auch zuträglich ist. Gegen acht Uhr bin ich, bei nasskalter Herbstwitterung aufgebrochen und auf der Bundesstraße 8 in Richtung Straubing gefahren. Kurz vor der Gäubodenmetropole zweigt die B20 ab, sie wird hier in der Region auch Tschechenrennbahn genannt. Es ist eine breite, für den schnellen Fernverkehr ausgebaute Straßenachse, die von der tschechischen Grenze bis kurz vor die österreichische führt. Daher auch der Name, viel Schwerverkehr aus unserem östlichen Nachbarland nutzt diese Route auf dem Weg nach Süden. An diesem Samstagmorgen ist aber wenig los und ich kann die langsam vorbeiziehende Landschaft genießen. Bei Landau an der Isar fällt die Strecke langsam ab, die Ausläufer des Rottals sind erreicht. Diese Gegend ist für zwei Dinge berühmte: Ihre Pferde und ihren Nebel. Das Zweite verstellt mir den Blick auf das Erste und ich bemerke auch nicht, dass irgendwo zwischen Landau und Burghausen die Tachowelle meines TPH ihr Leben ausgehaucht hatte. Ich wusste also nicht mehr wie schnell und wie weit ich fuhr, die Tankuhr wurde somit zum wichtigsten Instrument und nach ihrem Diktat ging es weiter. 
Denkmal "für den unbekannten Radfahrer" in Burghausen
Die Burg Burghausen, umgeben von geheimnisvollem Nebel.


Burghausen ist für mich die letzte deutsche Stadt auf der Route. Denn statt der B20 weiter nach Freilassing zu folgen, schlage ich einen Kurs ein der in einem Bogen durch Österreich führt. Vorbei an der Motorradstadt Mattighofen geht es nach Salzburg. Der Samstag scheint hier ein sehr geschäftiger Tag zu sein, denn dichtes Verkehrsgewühl empfängt mich in der alten Bischofsstadt. Dennoch strahlt der Tankwart tiefe Gelassenheit aus als ich die Tanks meines Rollers fülle. Mit frischem, günstigem Sprit im Tank geht es zurück über die Staatsgrenze nach Deutschland. In Freilassing finde ich die B20 wieder und folge ihr nach Bad Reichenhall. Kurz vor dem berühmten Kurort geht es auf eine kleine Nebenstrecke und in fröhlich-alpinem Kurvenschwung nach Berchtesgaden hinüber. Kurz vor meinem eigentlichen Zielort stockt plötzlich der Verkehr. Grund ist ein Stück echten, nicht für zahlende Gäste inszenierten, alpenländischen Brauchtums. Ein Almabtrieb ist im Gange und die geschmückte Rinderherde, die von einigen Männern in Tracht begleitet wird, blockiert kurzzeitig die Straße.

Rindviecher im Straßenverkehr sind nicht immer ein Ärgernis.



Berchtesgaden umfahre ich zunächst auf der Umgehungsstraße nach Oberau. Hier zweigt die Rossfeldstraße ab, mein erstes Tagesziel. Von der Mautstation aus geht es hinauf auf 1560 Meter, die höchste Straße in Deutschland empfängt mich mit herrlichen Kurven auf wunderbar glattem, trockenem Asphalt. Den Roller diese Straße hinauf zu treiben, mit der Straße zu tanzen und dem Motor zu lauschen ist ein reiner Genuss. Es ist schon fast enttäuschend, wenn der Parkplatz am Gipfelpunkt der Straße erreicht ist und der Motor verstummt. Doch das herrliche Alpenpanorama entschädigt sofort, löst Glücksgefühle einer ganz anderen Art aus. Ich bin für einen Moment völlig allein und sauge die tiefe Stille der Berge förmlich auf.
an der Rossfeldstraße





Die Südrampe der Rossfeldstraße war einst Schauplatz legendärer Bergrennen. Waren es früher die gewaltigen Silberpfeile der berühmten deutschen Werke oder die faszinierend fragilen Renner der Italiener, die diese Straße hinauf stürmten, so ist es heute mein italienischer Roller, der den Berg hinunter gleitet. Weniger schnell, denn er hat nicht die Bremsen eines Bergrennwagens. Unten wartet der Obersalzberg auf mich. Ein Ort der in der Geschichte einen besonderen, dunklen Platz einnimmt. Hier stand einst der so genannte Berghof, die Sommerresidenz Adolf Hitlers. Von den damaligen Gebäuden ist nichts mehr erhalten, es gibt einen Gasthof und ein Dokumentationszentrum. Ersterer ist eine grenzwertige Mischung aus alpinem Murmeltierkitsch und Fastfood-Restaurant und stößt mich derart ab, dass ich mein Mittagessen auf später verschiebe. 
Das Dokumentationszentrum Obersalzberg.
Ich gehe hinüber ins Dokumentationszentrum und tauche in eine Welt ein, die so gar nichts mit der heilen Alpenwelt zu tun hat, die Touristen in dieser Region sonst geboten werden. Die Ausstellung befasst sich mit der Geschichte der Region während des Dritten Reiches im Allgemeinen und dem Personenkult um Hitler im Besonderen. Außerdem ermöglicht sie den Zugang zu einem Teil des „Führerbunkers“, den die Nazis in den Obersalzberg getrieben hatten.

Einige der Ausstellungsstücke im Dokumentationszentrum.

Eingang zum "Führerbunker".





Die düsteren, feuchtkalten Kavernen habe ich fast ganz für mich alleine. Es ist ein merkwürdiger Ort der die Fantasie anregt. Hier werden die Geister der dunklen Geschichte lebendig. Hitler und seine Helfer scheinen nicht weit zu sein und es lässt einen schaudern. Die Herbstsonne wirkt gleißend und erlösend zugleich, als ich wieder ins Freie trete. Sehr still und nachdenklich steige ich auf den Roller und fahre ins Tal hinab und in den Ortskern von Berchtesgaden. Das Hier und Heute holt mich, bei einem gemütlichen Mittagessen in einer der zahlreichen Gaststätten des Ortes, endgültig wieder ein. Die dunklen Geister der Vergangenheit haben sich in ihre Höhlen zurückgezogen, aus denen sie hoffentlich nie wieder aufsteigen um Teil der realen Welt zu werden.

Auch ich ziehe mich zurück. Zurück auf die Straße, die mich auf dem direkten Weg der B20 nach Straubing und weiter nach Regensburg bringt. Mit den letzten Sonnenstrahlen erreiche ich die Domstadt und ein guter Tag geht zu Ende.


Gefahren am 02. Oktober 2010 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.