Ihr kennt das vermutlich. Man nimmt ohne besonderen Grund sein Handy zur Hand und schaut, was sich so in den digitalen Weiten des Cyberspace tut. Meistens ist die Antwort darauf recht einfach: Viel, aber wenig davon ist interessant. Bisweilen bleibt man dann aber doch an irgendeinem Posting hängen. In diesem Fall war es ein Bild in einem sozialen Netzwerk, das drei Aliens zeigte. Klassisch dargestellte, graue, entfernt menschenartige, aber doch vertraut wirkende Außerirdische. Die drei sitzen in einer schmierigen Bar, vermutlich auf irgendeinem entlegenen Außenposten in irgendeiner weit entfernten Ecke des Alls. Einer sagt: „Wisst ihr was: Die Menschen wissen, wie man die Energie der Sonne nutzt und trotzdem killen sie sich fleißig gegenseitig. Wegen Öl.“ Alle drei lachen und ein anderer wirft ein: „Und dabei wundern sie sich, warum wir keinen Kontakt mit ihnen aufnehmen.“
Ja, ein guter Witz, der mit der leider oft wenig lustigen Situation auf unserem Heimatplaneten spielt. In Zeiten, in denen eine globale Pandemie der Dummheit ausgebrochen zu sein scheint, wirkt es erschreckend aktuell. Vielleicht ist es ja wirklich so, dass wir von der galaktischen Gesundheitsaufsicht unter Quarantäne gestellt wurden. Das eigentlich Schlimme dabei ist ja, dass das nicht neu ist. Bereits vor etlichen (Licht)Jahren habe ich die nachfolgende Geschichte an anderer Stelle veröffentlicht. Durch das Bild ist sie mir wieder eingefallen und ich will sie darum hier an dieser Stelle nochmal aus dem Frachtraum meiner ganz persönlichen fliegenden Untertasse herauskramen.
Besuch aus dem Weltraum
Am äußeren Rand des Sonnensystems trieb eine Warnboje. Sie schien alt und abgenutzt zu sein, vermutlich dümpelte sie also schon längere Zeit durch die unendlichen Weiten des Alls. Aber – und darauf kommt es bei einer Warnboje schließlich an – sie funktionierte noch immer ganz hervorragend, auch wenn der Fusionsreaktor manchmal etwas blubberte und das Impulstriebwerk bei jeder Kurskorrektur quietschte. Wenn sich ein Raumschiff näherte, übermittelte sie automatisch eine Botschaft: „Vorsicht: gefährliches System! Dritter Planet von aggressiver Spezies bewohnt. Vermeiden Sie jeden Kontakt.“ Manchmal, wenn die etwas durchgeknallte künstliche Intelligenz – wie die Boje selbst nicht mehr das neueste Modell - einen guten Tag hatte, fügte sie noch hinzu: „Am besten hauen Sie jetzt, also SOFORT, den Rückwärtsgang rein und verziehen sich mit der maximalsten Maximalgeschwindigkeit, die ihr Raumschiff hergibt. Ich mein das echt ernst!“ Gelegentlich kam es vor, dass sich trotzdem ein Schiff in das System vorwagte.
Ein solcher wagemutiger Reisender ignorierte vor ein paar Tagen die Warnung und drang in das gefährliche System vor. Eigentlich sah es ja nicht besonders bedrohlich aus. Das tat ein gelbhäutiger Zwergzork vom Planeten Uhuhu 26 aber auch nicht, zumindest nicht, bis er einem seine drei giftigen Hauer ins Fleisch rammte. In diesem System umkreisten ein paar Gasriesen und eine Handvoll eher uninteressanter Gesteinsplaneten einen gelben Zwergstern. Dabei war der dritte Planet, -der auf dem angeblich die aggressiven Ureinwohner hausten- von überwältigender Schönheit. Eine blaue Welt mit riesigen Ozeanen und einigen kleinen Kontinenten. Scheinbar hatten die Bewohner des Planeten schon eine relativ fortschrittliche Technologie, denn eine Unzahl von Satelliten schwirrte im Orbit umher. Für den Raumreisenden aus einer fernen Welt war das gut, denn er konnte sein Raumschiff in diesem Gewühl bequem verstecken. Er fand einen sicheren und kostenfreien Parkplatz neben einem verbeulten Fernsehsatelliten. Fernsehen? Die waren echt von gestern hier. Aus dieser sicheren Position heraus beobachtete er einige Zeit lang das Treiben der Planetenbewohner.
Tatsächlich ging es auf dem Planeten heiß her. In vielen Gegenden schien Krieg zu herrschen. Ein paar ICBMs schwirrten immer irgendwo umher und auf der Nachtseite ließ sich das bunte Feuerwerk von Flächenbombardements beobachten. Zeitweise zündelte irgendein Irrer sogar an thermonuklearen Sprengladungen.
Der Raumreisende dachte an die Verwüstungen, die solche Versuche in seiner eigenen Heimat angerichtet hatten. Vor sehr langer Zeit schon, hatte sein Volk beschlossen, die Finger von derartigen Dingen zu lassen. Es war einfach keine gute Idee, radioaktive Knallfrösche zu bauen. Was auch immer die Leute hier damit bezwecken mochten, sonderlich intelligent schienen sie nicht zu sein. Hatten sie all das Zeug, das im Orbit herumflog, tatsächlich selbst erfunden? Da sie keine interstellare Raumfahrt betrieben -ein Gedanke, bei dem es dem fremden Besucher eiskalt die Tentakel herunterlief - musste es so sein. Immerhin schien es auf dem Planeten ein paar Gegenden zu geben, in denen die Bewohner friedlich lebten. Oder sich zumindest nicht mit Waffengewalt stritten, was immerhin etwas war. An einem Ort wie diesem musste man schon mit kleinen Dingen zufrieden sein. Vom Forschergeist getrieben, beschloss der Fremde, in einer solchen Gegend zu landen und sich die Planetenbewohner aus der Nähe anzusehen. Das würde interessant sein. Außerdem war es ja durchaus möglich, dass diese Leute von ihm lernen würden, wie man sich anständig benimmt. Aber eins nach dem anderen, erstmal runterkommen, ohne aus Versehen abgeschossen zu werden.
Als Landeplatz wählte er eine Stadt auf der Nordhalbkugel. Keine große Metropole, aber auch kein Dorf. Eine mittelgroße Stadt, die den Eindruck erweckte, auf eine lange Geschichte zurückzublicken. Im Landeanflug sah er eine erstaunliche Mischung architektonischer Stile und Formen. Gebäude zahlreicher Epochen existierten friedlich zusammen und bildeten einen ästhetisch ansprechenden Hintergrund. Breite Straßen durchzogen die Stadt und dienten dem Verkehr mit Fahrzeugen und von Fußgängern. Allerdings gab es auch Bereiche, die scheinbar nur für Fußgänger bestimmt waren und Stellen, an denen Pflanzenwuchs gezielt gefördert wurde. Auf einer solchen Fläche landete der Fremde sein Raumschiff.
Er wartete einige Zeit, bevor er ausstieg, und legte außerdem -nur um ganz sicherzugehen, denn das hier war ja immer noch tiefste Wildnis - den Gurt mit der Laserpistole um. Zwar war er ein Pazifist, aber es gab Situationen, in denen es durchaus nützlich sein konnte, sich seiner Haut zu erwehren. Gerade in einer Gegend, in der es vor primitiver Wilder nur so wimmelte. Zudem war am Gürtel ein universelles Spracherkennungsgerät befestigt, das sich als nützlich erweisen dürfte und sowieso, ein anständiges Alien - das wusste doch jeder Schlüpfling - musste eine Laserkanone haben.
Draußen vor dem Schiff hatte sich eine ansehnliche Menge versammelt und schaute den Raumreisenden mit weit aufgerissenen Augen schweigend an. Dieser stützte sich auf seine Tentakel und betrachtete die Planetenbewohner. Zugegeben, sie sahen seltsam aus, aber sie schienen friedlich zu sein. Im Moment wenigstens. Dann bahnte sich plötzlich einer von ihnen einen Weg durch die Menge. Ein besonders kräftiges Exemplar, das eine Art Uniform zu tragen schien. „Wer sind sie und was soll das hier?“ Die Worte des Planetenbewohners wurden vom Spracherkennungsgerät übersetzt, ebenso die Antwort. „Ich komme von weit her und besuche ihren Planeten. Ich würde gerne mehr über sie erfahren.“ Für einen Moment schwieg der Planetenbewohner. Dann antwortete er: „Ja, ja, wir haben hier viele Touristen. Aber sie dürfen hier nicht parken.“ Mit einem seiner Gliedmaße zeigte er auf etwas, das dem Fremden unbekannt war, aber vermutlich ein Hinweisschild sein sollte. „Ich verstehe nicht. Aber ich würde gerne lernen.“ Er wählte seine Worte bewusst freundlich, doch der Planetenbewohner wurde immer ungehaltener. „Das würde ihnen so passen, einfach hier landen und die Grünfläche kaputtmachen. Das kostet mindestens, wenn nicht noch mehr. Das geht einfach nicht.“ Die Stimme des Wilden überschlug sich vor Erregung und während er das sagte, schrieb er etwas auf einen Zettel, den er dem Fremden reichte. „Was ist das?“ Fragte dieser, so freundlich wie möglich. „Eine kostenpflichtige Verwarnung wegen Verstoß gegen die städtische Grünflächenverordnung, falsch Parken und dem illegalen Betrieb eines nicht registrierten Flugkörpers.“
Der Reisende beschloss, dass es besser war, zu verschwinden. Hier, auf diesem Planeten, war wirklich nichts mehr zu machen. Als der dritte Planet langsam immer kleiner wurde, dachte er: „Es ist wohl besser, wenn ich dem galaktischen Rat eine Nachricht schicke. Die Warnboje muss dringend erneuert werden.“
Text: Markus Zinnecker, 2020, überarbeitet 2024
Bild: pixelcreatures via Pixabay Quelle: https://pixabay.com/de/vectors/alien-monster-figur-671296/
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