Sonntag, 19. Juni 2016

Fahrzeugportrait: Wulfhorst R7 Monaco


Der Hersteller dieses Fahrzeugs, die Wulfhorst GmbH aus Gütersloh in Westfalen, ist seit 1915 als Hersteller von Dreiradfahrzeugen, zum überwiegenden Teil von dreirädrigen Fahrrädern zu Transportzwecken und für Menschen mit körperlicher Behinderung, aktiv. Das Modell R7, als motorisiertes Dreirad, entstand als Umbau aus dem Peugeot SV50 bzw. Hercules SR50, genauer der Modellvariante mit Vollschwingenfahrwerk.

Der Wulfhorst-Umbau des SV50 wurde mit dem Namenszusatz "Monaco" vertrieben und stellt einen der interessantesten Dreiradroller für Menschen mit Behinderung dar.
Wulfhorst R7 in der Version mit Scheibenbremse am Vorderrad
Wulfhorst R7 in der Version mit Trommelbremse am Vorderrad




Grundsätzliches zum Basisfahrzeug (Peugeot SV50):
Der Peugeot SV, der in Deutschland auch als Hercules SR bzw. Samba vertrieben wurde, ist ein klassischer Stadtroller mit 10-Zoll-Rädern. Neben dem, für Automatikroller untypischen, Vollschwingenfahrwerk, das jedoch den besser ausgestatteten Versionen vorbehalten war (einfachere SV hatten eine simple Telegabel) weist die Baureihe einige weitere Besonderheiten auf. Die auffälligste Eigenheit des SV ist der unter dem Trittbrett platzierte und durch eine Klappe im Beinraum zu befüllende, Treibstofftank. Diese Anordnung erlaubt ein ungewöhnlich großes und tiefes Helmfach. 
Insgesamt ist der SV sehr komfortbetont und auch als Tourenroller sehr brauchbar. Die hohe Qualität und Zuverlässigkeit der Fahrzeuge macht sie bis heute beliebt, was sich in hohen Gebrauchtpreisen aber auch sehr guter Versorgung mit Ersatzteilen bemerkbar macht. 

Aus heutiger Sicht für einen Automatikroller ungewöhnlich ist das Handschuhfach in der Frontverkleidung, wie bei vielen Rollern aus dieser Zeit ist es jedoch auch beim SV50 sehr flach und schlecht nutzbar. Der kleine, aber ausgesprochen stabile Gepäckträger zählte ebenfalls zur Serienausstattung und macht den SV damit zu einem Roller mit ungewöhnlich viel Stauraum.


Motor und Antrieb:
Der Motor des R7 ist die unverändert vom SV50 übernommene Treibsatzschwinge. Es handelt sich um einen luftgekühlten, Einzylinder-Zweitaktmotor mit Getrentschmierung und Variomatik. Der Hubraum beträgt 49ccm. 
Der Endantrieb des R7 erfolgt über eine Kette, die von einem Kettenritzel auf der Bremstrommel angetrieben wird. Die Übersetzung des Kettengetriebes beträgt 1:1.

Der Hinterachsträger ist eine Stahlkonstruktion, die unter die Treibsatzschwinge gesetzt ist. Auf der Hinterachse sitzt ein, von der Firma Peerless eigentlich für Gartentraktoren vorgesehenes, Differential. 

Fahrwerk und Bremsen:
Das Fahrwerk und die Bremsanlage des R7 entsprechen denen des SV50. Der Hilfsrahmen zur Aufnahme der Hinterachse wird rechts, neben dem Auspuff, durch ein zusätzliches Federbein geführt.
Der Hinterachskörper ist mit einem massiven Hilfsrahmen mit der Treibsatzschwinge verbunden und federt gemeinsam mit dieser. Die Einzelscheibenbremse vorne entspricht der des Basisfahrzeugs, hinten wurde jedoch eine Spezialbremstrommel mit Aufnahme für das Kettenrad auf der Abtriebsachse des Reduktionsgetriebes montiert. Dennoch entspricht die Hinterradbremse dem Serienzustand.

Wie das Basisfahrzeug gab es auch den Wulfhorst R7 sowohl mit Scheibenbremse als auch mit Trommelbremse am Vorderrad. In beiden Varianten wurde die Bremse unverändert vom Basisfahrzeug übernommen. 

Weitere Unterschiede zum Basisfahrzeug:
Der R7 ist prinzipiell ein relativ milder Umbau, jedoch optisch sehr auffällig. Die breiten Verkleidungen über den Hinterrädern sind aus einem einzigen Stück Kunststoff geformt und auf die Originalverkleidung des SV50 aufgesetzt. 
Die Zusatzverkleidung wurde passend zum Fahrzeug lackiert und, genau wie die vom Basisfahrzeug übernommenen Seitenteile, mit Zierlinien in einer Kontrastfarbe versehen.

Die Beleuchtunsanlage des SV50 wurde unverändert übernommen. Zwei rote Zusatzrückstahler aus dem Fahrradzubehör machen am Heck die breitere Hinterachse kenntlich. Auf den Radverkleidungen befanden sich links und rechts je ein gelber Reflektor am unteren Rand als seitliche Kennzeichnung.


Straßenverkehrsrechtliche Einstufung:
Anders als die jüngere Baureihe R10  , ist der R7 nicht als dreirädriges Kleinkraftrad eingestuft, sondern gilt als Krankenfahrstuhl. Daher ist seine Höchstgeschwindigkeit auf 25km/h beschränkt. Dies stellt ebenfalls eine Besonderheit dar, denn zur Bauzeit des R7 hätte ein Krankenfahrstuhl 30km/h erreichen dürfen. Vermutlich wurde hier beim Umbau auf einen fertig erhältlichen Drosselsatz zur Mofaumrüstung des SV50 zurückgegriffen. 
Für Personen mit Behinderung stellt die Einstufung des Fahrzeugs als Krankenfahrstuhl einen erheblichen Vorteil dar. Denn mit ihr darf der R7 auch in Fußgängerzonen und auf Gehwegen gefahren werden (mit Schrittgeschwindigkeit). Sein Nutzwert als Mobilitätshilfe ist somit erheblich größer als der eines dreirädrigen KKR. 

Fazit:
Der Wulfhorst R7 ist ein faszinierender Sonderling. Als Versehrtenfahrzeug, das einen sehr hohen Neupreis hatte, ist er eine Nischenlösung für einen besonderen Kundenkreis mit speziellen Anforderungen. Die hohen Gebrauchtpreise tun ihr übrigens zur geringen Verbreitung der Fahrzeuge.




Vielen Dank an Herrn W. für die Information, dass es den R7 auch als Trommelbremsmodell gab sowie die Fotos von seinem schwarzen R7.

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