Roadtrip: sächsische Chaostour 2017

Eine der wichtigsten Eigenschaften eines Reisenden ist sich nicht unterkriegen zu lassen. Rückschläge wie die Panne mit dem Baron in Tschechien sollte man nicht zum Anlass nehmen, um sich die gute Laune und die Reiselust verderben zu lassen.
Darum bin ich, nachdem die Scherben zusammengekehrt und alles Nötige veranlasst war, am darauffolgenden Tag mit dem Auto nach Sachsen aufgebrochen. Nun ist die Reise über die Autobahn, vorbei an Hof, Zwickau und Chemnitz nach Freiberg nichts besonders Bemerkenswertes. Dafür ist es aber um so schöner, nach einer kleinen Irrfahrt durch die mittelsächsische Universitätsstadt, an seinem Ziel anzukommen. 
Allerdings war ich nicht der Einzige, der sich Gedanken über einen Plan-B gemacht hatte. Offenbar wollte Thum mich krampfhaft glücklich machen (oder auch einfach nur lächerlich) und hatte darum die Idee, den alten Chinakracher seiner Exfrau, der immer noch unter dem Carport vor sich hin rostete, in Betrieb zu nehmen. Es hatte früher im Jahr wohl schon einen Versuch in diese Richtung gegeben, weshalb das Fahrzeug sogar versichert war. Doch dieser erste Anlauf scheiterte an einem defekten Reifenventil am Hinterrad des Rollers.
Darum haben wir uns dann daran gemacht, das Hinterrad aus zu bauen und das Ventil in Ordnung bringen zu lassen. Ein Unternehmen, das relativ problemlos gelang, nicht zuletzt aufgrund der freundlichen Unterstützung der freiberger ATU-Mannschaft. Wenn auch erst im zweiten Anlauf, denn das zunächst nur lose mitgenommene Ventil ließ sich ohne Werkstattausrüstung nicht einbauen. Dank ATU hatten wir dann jedoch bald einen funktionierenden Hinterreifen und zwei Ersatzventile. Anschließend bekam der alte Chinese noch eine dringend notwendige Vergaserreinigung und siehe da, er fuhr!

Um zu testen, ob dies nur ein kurzzeitiges Aufbäumen oder doch ein dauerhafter Zustand sei, schwangen wir uns auf den jeweiligen Untersatz und rollerten los. Der Thum natürlich mit seiner "Dicken Berta" und ich eben auf dem total verwahrlosten Baumarkthobel. Die anfängliche Freude über den Reparaturerfolg hielt leider nicht lange an. Der Chinaroller wurde immer langsamer und immer unlenkbarer, denn der Vorderreifen war platt. Mühsam ging es an eine Tankstelle, nur um festzustellen, dass das Ventil des Vorderrades ebenfalls hinüber war. ATU hatte zwischenzeitlich jedoch geschlossen, also was tun? Der Tankwart hatte glücklicherweise den richtigen Gedanken und empfahl uns eine Motorradwerkstatt, deren Inhaber neben seinem Laden wohnt. Wir fuhren also todesmutig los und stellten fest, dass der Meister nicht zu Hause war. Dafür gab es gleich um die Ecke eine lustige Horde von VW-Tunern, mit deren Hilfe wir dann eines der Ersatzventile einziehen konnten. 
Der nächste Versager lies jedoch nicht lange auf sich warten. Nach einem kurzen Supermarktbesuch stand der Roller in einer Benzinpfütze und sprang nicht mehr an. Diagnose: total abgesoffen. Immerhin, es gelang ihn wieder zum Laufen zu bringen und eine kleine Runde rund um Freiberg zu fahren. Da er jedoch im Stand seinen Sprit nicht behielt, haben wir dann davon abgesehen am nächsten Tag wirklich auf Tour zu gehen. Lustig wars trotzdem und die Pizza hinterher schmeckte besonders gut.
Der Sonntag brachte dann eben keine Fahrt mit einem Kraftrad, aber anschauen kann man sich solche ja dennoch. Denn Sachsen war einst das Kerngebiet der deutschen Motorradindustrie. Besonders Zschopau, mit DKW als größtem Motorradhersteller der Welt und zu DDR-Zeiten MZ, kann man wohl getrost als Epizentrum der sächsischen Motorradkultur bezeichnen. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass das malerische Stadtschloss Wildeck der Kreisstadt ein kleines Motorradmuseum beherrbergt. 
 
Die dort gezeigte Sammlung hat ihren Schwerpunkt auf dem Leben und Werk von Jörgen Skafke Rasmussen, dem Begründer der DKW-Werke. "Das Kleine Wunder" fuhr von Zschopau aus nicht nur "Berg rauf wie andre runter", sondern auch in die ganze Welt hinaus. Von winzigen Fahrradmotoren bis hin zu den großen Rennmaschinen und einigen ersten "Volkswagen" entstanden hier bis zum Zweiten Weltkrieg viele, teils heute noch berühmte, Fahrzeuge.
Das Museum ist zweifellos ein besonders sehenswertes und spannendes kleines Wunderkabinet für jeden Motorrad- und Oldtimerfreund. Zudem bietet es seine Eintrittskarten auch als Kombiticket an. Mit einem Eintritt kann man nicht nur die Sammlung in Zschopau, sondern auch das Motorradmuseum Augustusburg besuchen. Dieses war darum unsere nächste Station.
Hoch über dem Ort Augustusburg thront das gleichnahmige Jagdschloss aus dem 16. Jahrhundert. Der sächsische Kurfürst August hat dem Land mit diesem Gebäude ein besonderes, invielfältiger Hinsicht wertvolles, Erbe hinterlassen. Unter anderem beherrbergt das alte Gemäuer auch das Motorradmuseum. Letzteres behauptet von sich, dass größte seiner Art in Europa zu sein. Ob das nun stimmt oder nicht, es ist zweifellos eines der besten. Denn die Umfangreiche und extrem vielseitige Sammlung zeigt einige besonders rare und spannende Maschinen. 
 
Zu den spektakulärsten Ausstellungsstücken zählt zweifellos das Megola mit dem legendären Sternmotor im Vorderrad. Dieser faszinierende Irrweg der Geschichte gehört sicher zu den bekanntesten Motorrädern der Frühzeit. 

Weniger bekannt, dafür noch seltener und mindestens genauso spannend, ist das Hoco-Motorrad mit Holzplattenrahmen. Einerseits ausgesprochen innovativ, denn das Rahmenkonzept nimmt das vorweg, was fast ein Jahrhundert später als Deltaboxrahmen von manchen Herstellern wieder aufgegriffen wurde, andererseits auch ein seltsamer Rückfall in die Zeit der Laufräder des Freiherren von Drais.
Ein weiteres Highlight für die Freunde seltener Motorräder ist zweifellos die "weiße Mars". Das offiziell A20 genannte Modell war 1920 eines der ersten Motorräder, das weniger als Gebrauchsmaschine den als luxeriöse und zugleich sportliche Reisemaschine angedacht war.
Neben diesen raritäten finden sich auch viele weitere Kuriositäten und Großserienprodukte, aber auch eine beachtenswerte Sammlung von Prototypen und Rennmaschinen in Augustusburg. Es ist dies eines jener Museen, für die man mehr Aufnahmefähigkeit bräuchte als man normalerweise hat. Ein Paradies für Oldtimerfreunde ist es sowieso. 
Mit einer massiven Reizüberflutung, aber vollständig zufrieden, fuhren wir dann gemütlich über kleine uns kleinste Nebenstraßen zurück nach Freiberg. Es war Sonntagabend, Zeit das Wochenende ruhig ausklingen zu lassen. Denn mein Gastgeber musste am Montag wieder arbeiten und für mich ging es am Morgen zurück in die Heimat. 





 


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