Montag, 12. Mai 2025

Fahrzeugporträt: Yamaha Zest 50/80 und MBK Evolis

 

Ein guter Teil der Leserschaft wird sich vermutlich noch an die Mitte der 1990er-Jahre erinnern können. Damals, als der letzte große Rollerboom Einzug hielt und plötzlich eine schier unübersehbare Menge an teils skurril gestylten Stadtflitzern im Straßenbild erschien. Eine bunte Heerschar im poppigen Plastikgewand. Geräte wie der Aprilia SR50, der einen Hauch von MotoGP in die Rollerwelt brachte oder zu wilden Abenteuern bereite Yamaha BW’s und Piaggio TPH. Es sind solche Extremisten, die in Erinnerung bleiben und heute – genau wie damals – die große Mehrheit der Normalos, der ganz simplen Alltagsgefährten, überstrahlen.

Roller waren von Anfang an in erster Linie Nutzfahrzeuge. Robust, zuverlässig, praktisch und unauffällig. Kaum ein Roller der mittleren 90er Jahre vereint diese Tugenden so sehr in sich wie die Schwesterbaureihen Yamaha Zest und MBK Evolis. Roller, die heute im Straßenbild nahezu ausgestorben sind, waren vor gut drei Jahrzehnten jedoch weit verbreitet und beliebt. Einer von vielen Gründen, warum es sich lohnt, einen Blick auf diese Baureihen zu werfen.

 


Grundlegendes

Zur Markteinführung 1993 sollte die Baureihe YE50 / YE80 jene Lücke im Modellprogramm von Yamaha schließen, die nach Einstellung der CV-Baureihe geblieben war. Insbesondere sollte ein konkurrenzfähiges Modell angeboten werden, das auf Marktanteile der von Piaggio so erfolgreich lancierten Sfera zielte.

Insofern ist es kaum verwunderlich, dass der Zest vor allem als kompakter und zugleich komfortabler Stadtroller ausgelegt wurde. Bemerkenswert für einen Roller aus dem Programm eines japanischen Herstellers war zu jener Zeit auch, dass das Fahrzeug komplett in Europa entwickelt wurde. Anders als viele asiatische Roller seiner Zeit bietet der Zest darum auch für größere Menschen ausreichend Platz und kann problemlos im Zweipersonenbetrieb gefahren werden.

In der 50ccm-Version war der Zest eher spartanisch ausgestattet, das praktische Ablagefach in der Front sowie der Lenkerspoiler blieben der 80er-Variante vorbehalten. Beide Versionen verfügten jedoch stets über einen robusten Gepäckträger und ein großes Helmfach, das auch einen Integralhelm aufnehmen konnte. Zu jener Zeit noch keine Selbstverständlichkeit, waren zudem Ausstattungselemente wie Fernlicht, Getrenntschmierung und Zeituhr.

Technik

Angetrieben wird der Zest in allen Varianten von einem, bei Minarelli in Italien gefertigten, luftgekühlten Einzylinder-Zweitaktmotor mit Membransteuerung. Der Motor ist als kurze Treibsatzschwinge mit CVT-Getriebe ausgeführt und entspricht insofern dem Klassenstandard.

 

Zest 50 YE50

Zest 80 YE80

Hubraum

49ccm

79,2ccm

Leistung

2,9 kW bei 6.500upm

5,15 kW bei 7.500upm

Max. Drehmoment

4,3nm bei 6.500upm

6,7nm bei 7.000upm

 

Das Fahrwerk des Zest bietet simple, aber hochwertig verarbeitete Rollertechnik ihrer Zeit. Eine hydraulische Telegabel vorne und ein leicht trampeliges Monofederbein hinten lassen die Fuhre auf ihren Zehnzöllern fröhlich um Kurven schwingen und über Kopfsteinpflaster hoppeln. Dabei ist der Zest keinesfalls unbequem, sondern durchaus langstreckentauglich. Der Reiselust setzt allenfalls der kleine Tank etwas engere Grenzen.


 Die Bremsanlage der Baureihe bietet für die damalige Zeit sehr viel. Die Trommelbremse am Hinterrad ist völlig hinreichend und gut dosierbar. Vorne packt die Scheibenbremse kräftig zu und bringt den Roller immer sicher zum Stehen. Typisch für solch kleine Scheibenbremsen ist sie jedoch etwas holzig und erfordert hohe Handkräfte.

Alltagstauglichkeit

Alltagsnutzung ist das, wofür die Baureihe konstruiert wurde. Der Zest – und natürlich auch die Schwesterbaureihe Evolis – ist, im besten Sinne dieses Wortes, ein Nutzfahrzeug. Das Helmfach ist groß und gut nutzbar, sowohl für einen einzelnen Kopfschutz als auch für den Wocheneinkauf, sofern dieser nicht allzu wärmeempfindlich ist. Denn das tiefe Fach kommt dem Motor sehr nahe. Alternativ kann der Gepäckträger mit allerlei Dingen bepackt werden, meist dürfte hier aber ein Topcase seinen Platz finden. Gerade in den 90er-Jahren sah man aber auch viele Zest, die vor einen kleinen Anhänger gespannt wurden. Dem Großeinkauf oder dem Angelausflug steht dann nichts mehr im Wege.


 

Gegen Aufpreis (beim 50er, serienmäßig beim 80er) schluckt ein großes Ablagefach in der Frontverkleidung all jene Dinge, die man schnell zur Hand haben will. Für mehr Komfort sorgt die große Wetterscheibe aus dem Zubehör und für Sicherheit eine Ansperröse am Rahmen, für die das Werk seinerzeit sogar ein genau passendes Schloss anbot. Ein Seitenständer war beim Zest nie vorgesehen, ist aber auch nicht unbedingt nötig, denn der Roller springt leicht auf den Hauptständer und steht auf diesem sehr sicher.

Heute fällt auf, dass das Licht des großen, aber funzeligen Scheinwerfers nicht modernen Ansprüchen genügt. Auch wenn der Zest über Fernlicht verfügt, sind nächtliche Überlandfahrten kein Genuss. Dafür sind immerhin die Schalter gut bedienbar und von hoher Qualität, und die Tankuhr zeigt recht genau an, wie es um den Treibstoffvorrat bestellt ist.

Zest/Evolis heute

Nur wenige Roller der Baureihe haben überlebt, doch die, die es noch gibt, sind häufig noch immer im Alltagseinsatz. Robust und zuverlässig, auch nach drei Jahrzehnten auf der Straße, zeigen sie, wie hoch gut damals die Qualitätskontrolle im MBK-Werk war.

Einerseits ist das natürlich schön, denn es ist gut, wenn Fahrzeuge lange genutzt werden. Dennoch verstellt es etwas den Blick darauf, dass die Baureihe YE50/80 in all ihren Varianten ein spannendes historisches Fahrzeug ist. Ob als Zest oder Evolis, ob als brave Fuffi oder kräftiger 80er, sie sind mehr als ein altertümlicher „Opabeschleuniger“ von früher oder ein billiger Stadtknecht von heute. Sie sind eine der vielen Faceten der bunten Rollergeschichte und sie machen, wenn man sich auf sie einlässt, richtig viel Spaß.

 

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