Tour: Rheinland-Pfalz im Herbst (15. - 17.10.2010)



Es gibt Touren, bei denen von Anfang an klar ist, dass sie anders sein werden als Andere. Eine solche Reise war auch diese kleine Tour nach Rheinland-Pfalz im Herbst 2010. Mir stand ein langes Wochenende zur Verfügung und ich habe es genutzt, um einige Freunde zu besuchen und die wunderschöne Landschaft des Pfälzer Waldes zu erleben. Die Kürze der Zeit machte jedoch ein paar Kompromisse bei der Reiseplanung notwendig.


Tag 1, Bad Rappenau und Anreise nach Neustadt an der Weinstraße
Ein solcher Kompromiss war die Streckenwahl für die Anreise. Statt auf kleinen und kleinsten Nebenstraßen in die Pfalz zu rollern, habe ich, um genug Zeit für ein gemütliches Treffen mit Christian in Bad Rappenau zu haben, den TPH gleich zu Anfang auf die Autobahn gelenkt. Der TPH 125 gilt, als einer der ganz wenigen großen Zweitaktroller, als uneingeschränkt vollgasfest und autobahntauglich. Tatsächlich schluckte der alte Italiener die Kilometerfresserei mit stundenlangem Dauervollgas anstandslos. Von Regensburg aus über die A3 und die A6 war Heilbronn bald erreicht und kurz danach verließ ich bei Bad Rappenau die Autobahn.




Ich war früh los gefahren, noch vor Sonnenaufgang und somit kam ich rechtzeitig zu einem späten Weißwurstfrühstück in dem Kurort im Kraichgau an. Auf Christians besonderen Wunsch hin hatte ich original Münchner Weißwürste und süßen Senf aus Bayern „exportiert“. Anschließend zeigte Christian mir seinen Heimatort. Rund um die historische Saline hat man dort einen wunderschönen Landschaftspark angelegt. Dieser kombiniert moderne Landschaftsarchitektur mit der, Jahrhunderte alten, Tradition des Salzabbaus. Hauptattraktion des Parks ist ein moderner Nachbau eines historischen Gradierwerks. Eine genial simple Konstruktion: Salzwasser wird von einer einfachen Pumpe zum höchsten Punkt der Anlage gefördert und rinnt dann langsam durch einen riesigen Haufen Schilfhalme hinab. Dabei setzt sich das Salz auf den Halmen ab und lässt sich leicht ernten. Als Nebeneffekt entsteht im Umfeld des Gradierwerks eine feuchte, salzhaltige Atmosphäre deren heilsame Wirkung bei allerlei Lungenkrankheiten man schon früh entdeckte. Aus der Salzindustrie entstand so der Kurbetrieb in Bad Rappenau.
Kurpark Bad Rappenau

das Gradierwerk im Kurpark Bad Rappenau


Dank der heilsamen Salzluft des Gradierwerks waren meine Lungen dem erneutem Staubschlucken auf der Autobahn gewachsen. Von Bad Rappenau ist es nicht weit nach Hockenheim. Im Schatten der berühmten Rennstrecke bog ich ab, weg von der Autobahn und auf die Landstraße nach Speyer. Die Domstadt wurde für mich zur Wegmarke auf der weiteren Fahrt nach Neustadt an der Weinstraße, wo ich zunächst eine kleine Motorradwerkstatt ansteuerte. Mein TPH lief zwar hervorragend und bedurfte keinerlei Reparatur, allerdings ist der Mechaniker der Firma ein langjähriger Freund von mir. Beni freute sich herzlich über das Wiedersehen und wir verabredeten uns für den Abend bei Katja und Patrick. Die beiden hatten mir freundlicherweise eine Übernachtung auf ihrem Sofa angeboten, ein Angebot das ich natürlich nicht ablehnen konnte.
Der Abend wurde dann noch lang. Benis zweite Leidenschaft neben schnellen Motorrädern ist guter Wein, eine Substanz an der die Region ebenso reich ist wie an schönen Motorradstrecken. Es wurde schnell klar, dass es am nächsten Morgen nicht zu früh weitergehen würde.


Tag 2, durch die Vorderpfalz und den Pfälzer Wald
Am nächsten Morgen war klar, dass wir alle einiger Ruhe bedurften. Die gestern noch besprochene, große Runde bis nach Pirmasens erschien uns allen ein wenig zu viel. Katja hatte überhaupt keine Energie zum Rollerfahren und so brachen Patrick und ich am späten Vormittag zu einer kleineren Runde durch den Pfälzer Wald auf.
Die kurze aber unglaublich schöne Strecke von Neustadt über Deidesheim und Wachenheim nach Bad Dürkheim scheint direkt einer Kitschpostkarte entnommen zu sein. Endlos erscheinende Weingärten vor dem Hintergrund der sanften, dunkel bewaldeten Berge des Pfälzer Waldes lassen die Szene wie aus einem Bilderbuch entnommen erscheinen.
 
Weingärten in der Vorderpfalz


Bad Dürkheim bildet dann das Tor zum eigentlichen Pfälzer Wald. Der Vorort Hardenburg liegt am Eingang des Isenachtals in dem die Straße in weichem Schwung dem Flusslauf folgt. Über dem Taleingang hockt, wie ein trutziger Wächter aus uralter Zeit, die Ruine der Hardenburg auf ihrem Felsen. Sie wirkt nach dem weichen Licht der Weingärten so finster und unheilvoll wie die dunklen Waldungen des Pfälzer Waldes. Ein Stück weiter zweigt eine kurz Stichstraße von der Hauptstraße durch das Tal ab. Sie führt zum Isenachweiher, einer alten Triftklause aus der Zeit, als Holzfäller die geschlagenen Stämme noch durch die Kraft des Wassers zu Tal förderten.


Bad Dürkheim

die Ruine Hardenburg wacht über dem gleichnamigen Ort

am Isenachweiher
Die Straße steigt immer weiter an und erst bei der Ortschaft Frankenstein öffnet sich das Land ein wenig. Hier kreuzen sich drei Täler und der Blick weitet sich etwas. Wir biegen nach rechts ab, in Richtung Hochspeyer von wo aus wir zum Johanniskreuz hinauf fahren wollen. Doch die direkte Straße ist gesperrt und wir müssen noch ein wenig weiter fahren. Kaiserslautern schluckt uns für einen kurzen Moment mit geschäftigem Treiben. Vorbei am Tor des amerikanischen Militärstützpunkts geht es jedoch bald wieder auf einer kleinen Nebenstraße in den Wald hinaus. Auf den engen, kurvenreichen Straßen dieser Region wimmelt es im Sommer von Motorradfahrern, doch an diesem Herbstsamstag haben wir die Strecke für uns allein. Es ist eine Gegend, die der Wetterbericht als Hochlage des Mittelgebirges bezeichnen würde. Es ist merklich kühler und feuchter als in Neustadt, dichter Hochnebel hängt zwischen den Bäumen und gibt dem Land das Aussehen einer magischen Märchenlandschaft.
Oben am Johanniskreuz kehren wir zu einem späten Mittagessen ein. Wir sind die einzigen Gäste und genießen den exklusiven Service. Anschließend geht es weiter, nicht auf der direkten Ausfahrt durch das berühmte Elmsteiner Tal, denn das ist am Wochenende für Krad gesperrt, sondern auf einer Nebenstraße nach Waldleiningen. Diese Straße, die kaum mehr als ein asphaltierter Waldweg ist, bietet Rollervergnügen der besonderen Art. Das legendär schlechte Fahrwerk und die noch schlechteren Bremsen meines TPH kommen hier sofort an ihre Grenzen und zum ersten Mal muss ich mich nicht künstlich bremsen, um Patrick auf seinem BW’s 50 das Mithalten zu ermöglichen. Die Straße klammert sich in bizarren Kurven und Windungen an den Rand einer Schlucht, deren Boden im Nebel nicht zu erkennen ist. Auf der anderen Straßenseite ragen schroffe Felsen zwischen den Bäumen auf. Es ist eine wilde, urtümliche Landschaft. In Waldleiningen legen wir eine Pause ein, ich muss mich kurz ausruhen denn den TPH auf solchen Straßen zu fahren ist ein regelrechter Kampf.

wir waren die einzigen Gäste am Johanniskreuz

Die kleine Ortschaft liegt in einem tief eingeschnittenen, engen Talkessel. Auf der einen Seite führt die Straße zum Johanniskreuz hinauf, auf der anderen steigt sie zur Schwarzen Sohl hinauf, um dann nach Weidenthal hinunter zu führen. Diese Strecke ist nicht weniger wild und schwierig zu befahren als der erste Abschnitt, aber genau darum kommen wir mit einem fest sitzenden Dauergrinsen in Weidenthal an.
Die landschaftlich schöne und sanft geschwungene Hauptstraße über Lambrecht nach Neustadt ist eine Erholung nach der Kurventoberei im Pfälzer Wald. Pünktlich zum Abendessen kommen wir dort an und ich gehe bald schlafen, denn morgen muss ich zurück in die Heimat und will darum früh aufstehen.

Tag 3 Heimreise mit Panne
Auf den meisten Touren ist die Heimreise ein eher freudloser Teil. Man hat sich ausgetobt und will einfach nur noch nach Hause zurück. Hier machte diese Tour eine Ausnahme, denn ich wollte nicht wieder stundenlang freudlos Kilometer auf der Autobahn fressen, sondern die Landstraßen genießen. Ich hatte ja Zeit, kein Zwischenstopp bei Freunden war geplant und es war auch egal, ob ich erst mitten in der Nacht zu Hause ankommen würde. Von Neustadt bis Speyer funktionierte dieser Plan auch hervorragend, allerdings war die direkte Route über die Bundesstraße bei Hockenheim gesperrt. Eine Polizeieinheit versperrte mir die Weiterfahrt und auf Nachfrage erfuhr ich, dass es DTM-Wochenende war. Die schiere Anzahl der Rennfans, die Hockenheim an diesem Tag besuchten, war so groß, dass leider Verkehrsumleitungen notwendig waren. Eigentlich nicht schlimm, doch die mögliche Umfahrung auf Landstraßen hätte einen riesigen Umweg bedeutet. Der Plan war also, doch ein kurzes Stück auf der Autobahn zu fahren und Hockenheim auf diese Weise zu umgehen.
 
Nun neige ich ja eigentlich nicht dazu, meinen Fahrzeugen menschliche Eigenschaften zu unterstellen. Es schien jedoch, als habe der TPH andere Pläne. Schon bei der Auffahrt auf die Autobahn machte sich ein kurzes Ruckeln bemerkbar, wenige Kilometer weiter, knapp vor dem Rasthof Hockenheim, war dann Zwangspause angesagt. Kein Kraftschluss mehr und ich konnte nur noch ausrollend den Rasthof erreichen. Zwischen abgestellten LKW dann die Diagnose: die Riemenscheibe des Variators hatte sich gelöst und der Riemen war abgesprungen. Eine Reparatur mit dem Bordwerkzeug unmöglich. Ein Anruf beim ADAC brachte mir dann die freundliche Anwesenheit eines Pannenhelfers, der mir jedoch auch nicht weiterhelfen konnte. Denn mit der Bordausrüstung des Pannenhilfswagens war ebenfalls keine Reparatur möglich. Deshalb wurde er bald von einem Kollegen mit einem Abschleppwagen abgelöst. Doch wohin sollte dieser mich bringen? Sonntags haben ja alle Werkstätten geschlossen und ich wollte weiter. Es war nichts kaputt, ich brauchte nur einen Schlagschrauber um die Kurbelwellenmutter wieder festzuziehen. Dann fiel mir glücklicherweise ein, dass ein Bekannter zur damaligen Zeit als Pastor der Methodistenkirche in Hockenheim wirkte. Ein ungewöhnliches Ziel für die Fahrt mit dem Abschleppwagen, doch dieser Bekannte ist nicht nur ein Mann Gottes, sondern auch einer des Schraubenschlüssels. Doch wieder durchkreuzten die Rennsportfreunde den Plan, denn auch mit dem Abschleppwagen war es nicht möglich in den Ortskern zu kommen und die Kirche zu erreichen.


Christuskirche Hockenheim

Roland an seinem "Arbeitsplatz"
Glücklicherweise ist Hockenheim aber nur eine Kleinstadt. Deshalb ließen wir den Roller vor dem Ort auf einem Wandererparkplatz stehen und ich ging zu Fuß in den Ort. Der Abschlepperfahrer hatte mir den Weg zur Methodistenkirche beschrieben und so stand ich keine zwanzig Minuten später vor dem Tor des Gotteshauses. Der Gottesdienst war gerade zu Ende gegangen und Roland, der Pastor, stand an der Kirchentür um die Besucher zu verabschieden. Er staunte nicht schlecht als er mich bemerkte und fragte natürlich was mich so unerwartet zu ihm gebracht habe. Was folgte war eine jener Episoden, die das Tourenfahren erst spannend machen.
Roland verwies mich an einen der Gottesdienstbesucher, einen älteren Herrn von vielleicht sechzig Jahren. Es stellte sich heraus, dass er der Chef eines örtlichen Busunternehmens war und, wie wohl jeder Busunternehmer, über eine gute ausgerüstete Werkstatt verfügte. Es folgte eine wüste Irrfahrt durch die teilweise gesperrte Stadt zum Busdepot, wo wir den PKW stehen ließen und in einen Stadtverkehrsbus umstiegen. Das Fahrzeug war als einziges verfügbare dazu geeignet den Roller zu transportieren. Wieder waren die Straßensperren ein Problem, doch der Busunternehmer kannte seine Stadt gut und vor allem ihre Schleichwege sehr genau. Knapp eine Stunde später stand mein Roller darum in der Omnibuswerkstatt, wo es endlich den gesuchten Schlagschrauber gab. Eine halbe Stunde und viel Dankbarkeit später war ich wieder unterwegs, auf einem von meinem neuen Freund gewiesenen Weg um die Stadt herum und auf die Landstraße Richtung Heilbronn.
Es ist ein wunderschönes Gefühl, nach einem solchen Abenteuer wohlbehalten zu Hause anzukommen. Voller Dankbarkeit für die zurückliegenden schönen Tage und voller Vorfreude auf die nächste Tour.


Kommentare